Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 04. Jun 2015 · Film

Aktuell in den Filmclubs (5.6. - 11.6. 2015)

Zwei unterschiedliche Blicke auf den Sozialismus werfen zwei Filme, die diese Woche in den Filmclubs laufen. Im FKC Dornbirn und im Filmforum Bregenz werden in „Conducta“ vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen einem elfjährigen Jungen und seiner Lehrerin kubanische Realitäten kritisiert. Im Stummfilmklassiker „Der Mann mit der Kamera“, der im Kunstmuseum in Vaduz zu sehen ist, feiert Dziga Wertov dagegen bedingungslos den Kommunismus der jungen Sowjetunion.

Conducta: Nicht leicht hat es der elfjährige Chala, der in der kubanischen Hauptstadt Havanna selbst zum Lebensunterhalt beitragen muss, da ein Vater fehlt und die Mutter drogensüchtig ist. Stets droht die Einweisung in ein Heim, doch seine kurz vor der Pensionierung stehende Lehrerin, die noch an die Ideale der Revolution glaubt und sich von den Behörden nichts sagen lässt, setzt sich entschieden für den Jungen ein.
Leicht hätte aus diesem Stoff ein tristes sozialrealistisches Drama werden können, doch Ernesto Daranas erzählt schwungvoll und in farbintensiven Bildern. Er verschließt zwar nicht den Blick vor den bedrückenden sozialen Verhältnissen, lässt aber, unterstützt von zwei starken Hauptdarstellern, keine Depression aufkommen, sondern Lebensmut triumphieren. Zum großen Publikumserfolg entwickelte sich dieses Feelgood-Movie auf der Karibikinsel wohl nicht zuletzt deshalb, weil Daranas auch ganz offen kubanische Realitäten wie das Verbot der Binnenmigration oder die Existenz von politischen Häftlingen anspricht.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz:
Sa 30.5., 22 Uhr
TaSKino Feldkirch im Kino Rio:
Fr 29.5. + Sa 30.5. - jeweils 22 Uhr

 

Der Mann mit der Kamera: Dziga Wertov gehört zu den großen Pionieren des sowjetischen Stummfilms, schlug aber ganz andere Wege als Eisenstein und Pudowkin ein, denn er lehnte den Spielfilm als bürgerlich ab. Revolutionäres Potential sah er im Kino-Auge, mit dem er glaubte jedes Detail der Welt objektiv einfangen zu können. Einen wahren Rausch der Bilder entfaltet er mit dieser Technik in „Der Mann mit der Kamera“ (1929), in dem Wertov einem Kameramann durch eine Stadt folgt, deren Vielfalt und Dynamik einfängt.
Furios spielt der Regisseur mit den filmischen Möglichkeiten wie Überblendungen, gekippten Einstellungen, Zeitraffer und Zeitlupe, reflektiert gleichzeitig über das Filmemachen, wenn eine Cutterin aus dem Film, den der Zuschauer gerade sieht, Einzelbilder herauslöst, oder „Der Mann mit der Kamera“ in einem Kinosaal, der sich mit Zuschauern füllt, gezeigt wird.
Im Gegensatz zu Walter Ruttmanns „Berlin - Sinfonie einer Großstadt“ ist Wertovs Film, der sich aus Impressionen aus verschiedenen Städten (unter anderem Moskau, Odessa, Kiew) zusammensetzt, keine Ode an die Metropole, sondern verfolgt ideologische Ziele. Das Erwachen der Stadt wird hier zum Gleichnis auf das Aufstreben des Kommunismus, die Beschreibung der Arbeitswelt zum Hymnus auf eine perfekte Symbiose des Arbeiters mit seinem Werkzeug, während das letzte Kapitel über die Freizeit von höchstem sportlichen Eifer und Optimalvorstellungen des menschlichen Körpers geprägt ist.
Kongenial passen diese 70 atemlosen Minuten freilich zur modernen Großstadt, bringen doch die belebten Bilder die Dynamik des beschleunigten Lebens zum Ausdruck. In eins fallen hier die Kunst und das Objekt der Kunst, denn sowohl die Großstadt, die seit der Erfindung des elektrischen Lichts und der Mobilisierung mit Straßenbahnen und Autos nie zur Ruhe kommt, als auch die Filmkunst, die ebenfalls mit der Bewegung arbeitet, sind Errungenschaften des frühen 20. Jahrhunderts.
Kunstmuseum Vaduz: Do 11.6., 20 Uhr