"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Walter Gasperi · 04. Okt 2018 · Film

Aktuell in den Filmclubs (5.10. - 11.10. 2018)

Das Takino Schaan zeigt diese Woche Andrei Swjaginzew beklemmendes Drama „Loveless“. Bei der LeinwandLounge in der Remise Bludenz steht dagegen Philippe Liorets feinfühlige Familiengeschichte „Die kanadische Reise“ auf dem Programm.

Loveless: Ein Paar lässt sich scheiden, doch während sonst meist um das Sorgerecht für das Kind gekämpft wird, wollen Mutter und Vater es hier am liebsten abschieben. Ihnen fällt folglich zunächst auch gar nicht auf, dass Aljoscha eines Tages nicht aus der Schule nach Hause kommt.
Einen Einschlag in Richtung Thriller nimmt „Loveless“ mit der Suche nach dem Jungen, doch dient diese Andrei Swjaginzew vor allem, um die Selbstsucht und Verlorenheit der Eltern und ihres Umfelds auszuloten. Denn die Suche zwingt das gescheiterte Paar sich zu treffen, führt es aber nicht zusammen, sondern lässt es bei jeder Begegnung aufs Neue streiten und dem anderen mit Nachdruck zu erklären, dass man das Kind nie gewollt, den Partner nie geliebt habe.
Eine einfache und im Grunde auch einfach erzählte Geschichte ist das, aber die Konsequenz und die Unerbittlichkeit, mit der sie Swjaginzew entwickelt, und wie er über Details wie TV-Nachrichten oder beiläufige Blicke auf Figuren, denen das Paar zufällig begegnet, diese private Geschichte in einen gesellschaftlichen Kontext einbettet, macht „Loveless“ zu einem großen Spiegelbild und einer vernichtenden Anklage der heutigen russischen Mittelschicht, ihrer Selbstsucht und ihres Materialismus.
Ein kalter und pessimistischer Film ist dieses in kalte Winterfarben und Winterlicht getauchte Drama, gleichzeitig freilich ein zutiefst moralische Werk , wenn über all dieser Gehässigkeit der Charaktere stets das tiefe Mitgefühl des Regisseurs mit Aljoscha, dem schwachen und auf Schutz angewiesenen Kind, das hier eben keinen Schutz findet, spürbar ist.
Takino Schaan: Fr 5.10. + Sa 6.10. - jeweils 18.15 Uhr

 

Die kanadische Reise – Le fils de Jean: Ziemlich überrascht ist der 33-jährige Pariser Angestellte Mathieu, als er telefonisch erfährt, dass sein leiblicher Vater in Kanada gestorben sein soll. Der selbst getrennt von Sohn und Frau lebende Mann, der gerne Schriftsteller wäre und schon einen Krimi geschrieben hat, aber nicht die Verwirklichung seines Traumes wagt, sondern den sicheren Bürojob vorzieht, bricht nach Montreal auf, um Hintergründe über den ihm unbekannten Verstorbenen zu erfahren.
Wie einen Thriller hat Philippe Loiret seine Verfilmung eines Familienromans von Jean-Paul Dubois aufgebaut. Der Zuschauer ist nämlich immer nur auf dem Wissensstand des Protagonisten und bekommt nur zusammen mit dessen wachsenden Erkenntnissen und Vermutungen einen besseren Einblick in die geschickt aufgebauten komplexen Beziehungen. Denn geht es zunächst nur um den Vater, kommen ja bald auch die Kinder des Verstorbenen, dessen Frau und die Familie seines Freundes ins Spiel.
Leicht könnte freilich so eine Familiengeschichte in Sentimentalität abgleiten, doch Lioret erzählt wunderbar zurückhaltend und unaufgeregt, gleichzeitig aber auch einfühlsam und beweist einen genauen Blick für Menschen und ihre Beziehungen und Gefühle. Ökonomisch treibt er die Handlung voran, erzählt aber gleichzeitig auch mit großer Eleganz und Geschmack.
Getragen wird so ein Familiendrama immer von den Schauspielern. Diese agieren ebenso zurückhaltend wie die Regie, arbeiten mit kleinen Nuancen statt dick aufzutragen. Unterstützt von diesem Ensemble werden so langsam Schicht für Schicht familiäre Beziehungen und Sehnsüchte aufgedeckt und ein feinmaschiges Netz von Eltern-Kind-Beziehungen gespannt.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 10.10., 19 Uhr