Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 03. Jul 2014 · Film

Aktuell in den Filmclubs (4.7. - 10.7. 2014)

Filme, die in soziale Tristesse entführen und dennoch nicht in Depression verfallen, laufen diese Woche im Filmforum Bregenz und beim Open-Air in Hard: Carlos Lechuga vermittelt in „Melaza“ bestechend den Stillstand in Kuba, Lee Daniels blickt "Precious - Das Leben ist kostbar" auf einen gedemütigten und missbrauchten afroamerikanischen Teenager.

Precious – Das Leben ist kostbar: Sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt und später auch noch Aids. – Es ist eine geballte Ladung an sozialem Elend, mit dem Lee Daniels in seiner Verfilmung von Sapphires Roman „Push“ auffährt. Im Zentrum steht die der 16-jährige Claireece Jones, die in Harlem in desolaten familiären Verhältnissen aufwächst, von ihrer Mutter gedemütigt und von ihrem Vater missbraucht wird, aber durch eine Lehrerin lernt sich aus diesen Verhältnissen zu befreien.
Dokumentarisch ist der Gestus mit häufigen Zooms auf die Gesichter und teils unruhiger Kamera. Ungeschminkt und roh wirken die Bilder mit verwaschen-schmutzigen Farben, vielen Brauntönen und greller Überbelichtung des Hintergrunds. Diametral entgegengesetzt zur Hollywood-Hochglanzästhetik ist "Precious", suhlt sich aber auch nicht im Elend. Nur stilisiert angedeutet wird die Vergewaltigung durch den Vater und auch die Auseinandersetzungen mit der Mutter werden nicht breit ausgewalzt.
Keine fernen Filmfiguren bleiben die Protagonisen, sondern werden dank der Ungeschminktheit und Natürlichkeit von Inszenierung und Spiel zu Menschen aus Fleisch und Blut. Das gilt nicht nur für Gabourey Sidibe als Precious, sondern beispielsweise auch für ihre Mitschülerinnen, die Lehrerin Miss Rain (Paula Patton), eine von Mariah Carey gespielte Sozialarbeiterin oder die mit Oscar ausgezeichnete Talkshow-Moderatorin Mo´Nique in der Rolle der Mutter.
Hardmovie – Kino am See, Stedepark Hard: Fr 4.7. – Vorprogramm ab 19.30 Uhr – Filmbeginn bei Einbruch der Dunkelheit


Melaza: Kubanische Filme spielen meistens in Havanna, Carlos Lechuga siedelt sein Debüt aber auf dem Land an. Der Titel bezieht sich auf die aus Zuckerrohr gewonnene Melasse und kräftig grüne Bilder von einem Zuckerrohrfeld stehen auch am Anfang. In Kontrast zur blühenden Natur steht aber die Zuckerrohrfabrik, die seit einem Jahr stillsteht, in der der Putz von den Wänden bröckelt, die Maschinen zwar intakt sind, die Räumlichkeiten aber in desolatem Zustand sind.
Hierher ziehen sich Monica und Aldo zum Liebesspiel auf einer mitgebrachten Matratze zurück, denn ihre Wellblechhütte vermieten sie an eine Prostituierte, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Er ist als Lehrer arbeitslos und unterrichtet eine Gruppe Kids im wasserlosen Schwimmbad – ein herrliches Bild für das ausgetrocknete Kuba ist dieses trockene Becken ebenso wie die stillstehende Fabrik – im Schwimmen, sie arbeitet als Reinigungskraft. Aber weil diese Jobs kaum genug zum Leben abwerfen, versucht das Paar auch mit illegalen Mitteln das Einkommen aufzubessern.
In langen statischen Einstellungen und langsamem Erzählrhythmus vermittelt Carlos Lechuga lakonisch und mit trockenem Witz die Erstarrung und den Stillstand des Landes, und steigert diese Stimmung noch durch melancholische Songs. Mit bitterem Hohn wird mit dem Sozialismus abgerechnet, doch die Depression wird aufgefangen durch die kräftigen Farben und von Licht durchfluteten Bildern. Aussichtslos scheint die Lage, doch kein Trübsinn stellt sich hier ein, sondern Leichtigkeit bewahrt „Melaza“, weil sanfter Melancholie immer eine unbändige Lebensfreude gegenüber steht und immer der Glaube daran mitschwingt, dass es irgendwie weiter gehen wird und dass das Paar immer noch sich hat und zusammen den sozialen Widernissen trotzen kann.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Sa 5.7., 22 Uhr