Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 29. Sep 2016 · Film

Aktuell in den Filmclubs (30.9.. - 6.10. 2016)

In der Remise Bludenz wird diese Woche Wim Wenders grandioser Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" gezeigt. Am Spielboden Dornbirn steht im Rahmen der Reihe "Horrorfilme von Frauen" mit Hélène Cattets und Bruno Forzanis "Amer" ein hypnotischer, aber schwer zu entschlüsselnder Bilderrausch auf dem Programm.

Das Salz der Erde: Wim Wenders porträtiert in seinem Dokumentarfilm Leben und Werk des brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado. In ebenso großartigen wie bestürzenden Schwarzweißbildern hielt Salgado den Hunger in der Sahelzone ebenso mit seiner Kamera fest wie die Gräuel des Völkermords in Ruanda, die Grausamkeit des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien oder die brennenden Ölfelder nach dem ersten Irakkrieg 1991.
Verzweifeln ließen diese Erfahrungen Salgado an der Menschheit und an ein Wunder grenzt, wie er selbst aus dieser Verzweiflung fand, aber auch wie Wenders den Film anhand von Salgados Entwicklung aus dieser Hoffnungslosigkeit mit einem Projekt grandioser Natur- und Tieraufnahmen – selbstverständlich wieder Schwarzweiß - ins Positive wenden kann.
Wenders versucht gar nicht groß viele eigene Bilder zu finden, sondern vertraut weitgehend auf die Fotos von Salgado und seine Reflexionen dazu. Entstanden ist so ein bildgewaltiger Dokumentarfilm, der einerseits das Leben eines großen Fotografen nachzeichnet, andererseits aber auch den Widerspruch des Lebens plastisch und eindringlich sichtbar macht. Denn erschütternd zeigt „Das Salz der Erde“ einerseits Leiden und Barbarei, andererseits wird aber auch die Größe der Schöpfung gefeiert.
Ins Herz der Finsternis des Menschen führt dieser Film den Zuschauer zunächst, um schließlich doch Optimismus zu verbreiten, indem am Beispiel von Salgados Farm gezeigt wird, dass es noch nicht zu spät ist und die Zerstörung der Umwelt rückgängig gemacht werden kann.
Leinwandlounge in der Remise Bludenz:
Mi 5.10., 19 Uhr


Amer:
Mit subjektiver Perspektive nähert sich die Kamera einem Haus am Stadtrand, das die kleine Ana erkundet. Nicht nur der aufgebahrte Großvater interessiert und irritiert sie, auch ihre Eltern beobachtet sie beim Sex und dann sieht sie wieder eine ganz in Schwarz gekleidete Frau durch das Haus wandeln und sich um den Verstorbenen kümmern.
Lineare Handlung lässt sich bei „Amer“ kaum ausmachen, dafür rücken Hélène Cattet und Bruno Forzani mit extremen Großaufnahmen von Anfang an den menschlichen Blick in den Mittelpunkt, erzählen vom Begehren, das in diesem Blick steckt, dem Begehren das Verbotene zu entdecken, aber auch dem Begehren nach dem anderen Körper.
Kühne Farbspiele, bei denen Bilder ganz in Rot, Blau oder Grün getaucht werden, extreme Detailaufnahmen von Augenpartien, schwitzenden Körpern oder Wassertropfen, das Sounddesign und teilweise bewusst verzerrte Bilder erzeugen eine hypnotisch-rauschartige Affäre. An Bunuels "Un chien andalou" fühlt man sich sogar erinnert, wenn am Ende ein Rasiermesser ins Spiel kommt und dieses immer wieder in Bezug zu einem Auge gebracht wird.
Cattet/Forzani erklären nichts, überlassen den Zuschauer ganz dem Bilderrausch, der nur durch die Einheit des Ortes und die Protagonistin zusammengehalten wird. Diesen alptraumhaften Film zu entschlüsseln sollte man gar nicht erst versuchen – Frustration wäre die Folge und zweifelsohne wird auch nicht jeder an „Amer“ Gefallen finden, aber wenn man sich ganz auf den suggestiven Fluss der Bilder und Töne einlässt, kann man zweifelsohne eine filmische Erfahrung von seltener Intensität machen.
Spielboden Dornbirn:
Do 6.10., 19.30 Uhr