Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 30. Okt 2014 · Film

Aktuell in den Filmclubs (31.10. - 6.11. 2014)

Im Andelsbucher Gasthaus Jöslar steht diese Woche Olivier Assayas´ grandioses Biopic „Carlos“ auf dem Programm. Am Spielboden Dornbirn wird dagegen im Rahmen des „Tanz Ist“-Festivals mit Stephan Setteles „Erwachen aus dem Schicksal“ ein vielschichtiger Dokumentarfilm über den Dornbirner Zeichner Edmund Kalb gezeigt.

Carlos: Olivier Assayas zeichnet in 185 mitreißenden Minuten nicht nur das schillernde Porträt des berüchtigten Topterroristen, sondern bietet auch einen Einblick in die weltpolitischen Umbrüche zwischen den 1970er und 1990er Jahren.
Assayas versucht nicht Carlos zu erklären, er schildert ihn nur von außen, stilisiert ihn keinesfalls zum Helden, verteufelt ihn aber auch nicht.
Großartig ist Édgar Ramírez in der Hauptrolle. Er spielt Carlos als brutalen Killer und linken Terroristen im Anzug, der selbstverliebt vor dem Spiegel seinen eigenen Körper begutachtet, sich dann aber auch wieder gehen lässt und übergewichtig im Nahen Osten herumhängt. Rücksichtslos auch gegenüber seinen Mitstreitern setzt er seine Pläne durch, Geld ist ihm wichtiger als politische Grundsätze – und natürlich Frauen, die ihm verfallen und ihm hörig sind.
Meisterhaft bettet Assayas dieses Porträt in den historischen Hintergrund ein und zeichnet ein Bild  vom politischen Terror in der Nachfolge Che Guevaras, von einer Zeit, in der es auf Flughäfen und Konferenzen noch keine strengen Kontrollen gab, von den internationalen Vernetzungen von Syrien bis Ostdeutschland und Ungarn und vom Ende dieses Terrorismus durch den weltpolitischen Wandel mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Denn die Ereignisse von 1989 nahmen dem Terrorismus nicht nur die Aktionsbasen in Osteuropa, sondern auch die Auftraggeber im Nahen Osten, die auf Druck der USA Carlos aus Syrien, dann aus Libyen auswiesen.
Actiongeladen, aber nie oberflächlich-reisserisch ist dieses Biopic und geschickt werden in die Fiktion originale, aber auch gefälschte schwarzweiße Fernseh- und Wochenschaubilder eingeflochten. Wie Assayas dabei trotz der Ereignisfülle die Zügel immer fest in der Hand hält und nie die Übersicht verliert, ist zweifellos eine Meisterleistung. – Ein großes Epos.
Gasthaus Jöslar, Andelsbuch: So 2.11., 19.30 Uhr

Erwachen aus dem Schicksal – Hommage an Edmund Kalb:
Ausgehend von Edmund Kalbs Selbstporträts versuchen Stephan Settele (Regie), Stoph Sauter (Computeranimationen) und Wolfgang Hermann (Idee/Buch) sich in dem 2002 gedrehten Dokumentarfilm dem lange verachteten und unverstandenen Dornbirner Zeichner (1900 – 1952) zu nähern.
Vielfältige filmische Mittel von Morphings über Spielszenen zu einigen Episoden aus dem Leben des Künstlers bis zu Tagebucheintragungen, Briefen, Prozessakten, Fotos und Szenen aus Günter Marinellis Tanztheater zu Edmund Kalb setzt das Filmteam dabei ein. Nichts von alledem wird aber im Stil einer biederen Künstlerdokumentation verwendet, sondern - passend zur Person Kalbs - äußerst unorthodox. Äußern sich die Experten sachlich und distanziert in ihren Arbeitsräumen, so führt Kalbs Neffe Georg in breitestem Dialekt mit ungeschminkten persönlichen Erzählungen durch das Wohnhaus des Künstlers.
Was in jeder Doku herausgeschnitten wird, wie ein unerwarteter Anruf während eines Interviews oder die Bemerkung des Neffen, er müsse jetzt auf den Bus, blieb hier drinnen und sorgt für skurrile Momente. Diese formale Disparität kennzeichnet auch die gestellten Szenen, denen teils nur Musik teils Tagebucheintragungen aus dem Off unterlegt sind, und bei denen am Ende Schwarzweiß in Farbe übergeht.
Immer wieder wird so die Frage formuliert, wer hinter diesen Bildnissen steckt. - Wie Kalb seine Kunst zur Suche nach dem Ich nutzte, so ist auch Setteles Film eine Suche nach diesem Unangepassten, Kompromisslosen und Radikalen und ganz im Sinne des Untertitels eine "Hommage to Edmund Kalb (1900-1952)".
Spielboden Dornbirn: Di 4.11., 19 Uhr + 20.30 Uhr