Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Walter Gasperi · 02. Mär 2017 · Film

Aktuell in den Filmclubs (3.3. – 9.3. 2017)

Bei der Alpinale-Ländle-Tour werden auch heuer wieder an verschiedenen Orten quer durch Vorarlberg und auch in Schaan acht Kurzfilme aus dem letztjährigen Festivalprogramm gezeigt. Im Andelsbucher Gasthof Jöslar steht diesen Sonntag Maren Ades großartige Tragikomödie „Toni Erdmann“ auf dem Programm.

Alpinale-Ländle-Tour: Auch heuer präsentiert die Alpinale wieder auf einer Ländle-Tour acht Filme aus dem letztjährigen Festivalprogramm. Bunt ist die Mischung, neben sozialkritischen Filmen umfasst das gut zweistündige Programm komödiantische Produktionen, neben Realfilmen Animationsfilme.
Ohne Wort erzählt der Russe Konstantin Bronzit im liebevollen Animationsfilm „We can´t live without cosmos“ von zwei Freunden, die das harte Training für einen Raumflug auf sich nehmen, alle Prüfungen bestehen. Schließlich kann aber nur einer am Flug teilnehmen, während der andere als Reservekosmonaut auf der Erde zurückbleibt. Bald aber werden sie feststellen, dass sie mehr als den Kosmos einander brauchen.
Animations- und Realfilm raffiniert mischen Natalia C.A. Freitas, in deren „Electrofly“ eine elektrisch aufgeladene Fliege in einer Toilette eine auf die Fliesen gezeichnete Katze und ein ebensolches Huhn zum Leben erweckt, und Til Nowak in „Dissonance“. Nowak erzählt zwar von einem Musiker, doch es geht nicht um musikalische Dissonanzen, sondern vielmehr psychische. Weit auseinander klafft hier die animierte Vorstellungswelt, bei die sich Nowak sichtlich von Christopher Nolans „Inception“ inspirieren ließ, von seiner mit realen Schauspielern gedrehten Realität.
Ganz in der harten Realität verankert sind dagegen Toby Fell-Holdens „Balcony“ und Just Philippots „Breathe“. Philippot packt den Zuschauer mit einem schonungslosen Realismus und einer Nähe zu den Figuren, der an die belgischen Dardenne-Brüder erinnert. Wie diese erzählt er von einer Frau, die mit ihrer zehnjährigen Tochter am Rande der Gesellschaft lebt. Am Nötigsten fehlt es zwar und übernachten müssen sie auf Parkplätzen im Auto, doch das Mädchen wünscht sich dennoch nichts sehnlicher als eine Geburtstagsparty.
Engagiertes Kino bietet auch „Balcony“, den Toby Fell-Holden in der Tradition des britischen Sozialrealismus in einer Wohnsiedlung der Unterschicht verankert. Hier nähert sich der Teenager Tina der von den Einheimischen gemobbten Afghanin Dana. Fell-Holden deckt nicht nur Rassismus auf, sondern zeigt auch, wie schnell Vorurteile und Verdächtigungen aufgrund mangelnden Wissens entstehen und sich die Dinge letztlich ganz anders verhalten können als man zuerst angenommen hat.
Leichtere Töne schlägt Sophie Linnenbaum in „[Out of Fra]me“ an, in dem sie Paul erzählen lässt, wie er seit Kindheit immer förmlich aus dem Bild fällt, nie präsent ist. So thematisiert Linnenbaum zwar Einsamkeit, doch leicht bleibt der Erzählton, da hier bei den Außenseitern mit Filmfehlern vom „aus dem Bild fallen“ Pauls über Asynchronität bis zu Outtakes gespielt wird. Ein hinreißendes Porträt eines Bombenentschärfers, der keineswegs klassischen Kinohelden entspricht und erst in langer Suche seine eigenen Ängste entdecken muss, gelang dagegen Michael Binz – nicht zuletzt dank eines wunderbar lakonischen Gustav Peter Wöhler in der Hauptrolle – mit „Herman the German“. In einer einzigen 13-minütigen Halbtotalen erzählt schließlich Tim Ellrich in „Die Badewanne“, wie sich drei Brüder als Erwachsene treffen, um in der Badewanne für ein Familienfest ein Kindheitsfoto nachzustellen. Dass es dabei zu Differenzen zwischen den ungleichen Brüdern kommt, versteht sich fast von selbst.
Bücherei Hohenems: Do 9.3., 20 Uhr
Angelika Kauffmann Museum, Schwarzenberg: Do 16.3., 19.30 Uhr
Verein Tankstelle, Bregenz: Do 23.3., 20 Uhr
Remise Bludenz: Do 30.3., 20 Uhr
Altes Kino, Rankweil: Do 6.4., 20 Uhr
Takino Schaan: Mi 12.4., 20 Uhr

 

Toni Erdmann: Im Leben des 65-jährigen Musiklehrers Winfried (Peter Simonischek) läuft es nicht rund. Soeben ist ihm sein letzter Schüler abgesprungen, seiner Tochter (Sandra Hüller), die als Unternehmensberaterin in Bukarest arbeitet, hat er nicht viel zu sagen, als er sie bei einer Familienfeier bei seiner Ex-Frau trifft. Und dann stirbt auch noch sein Hündchen Willi.
So besinnt sich Winfried doch auf seine Tochter und besucht sie in der rumänischen Hauptstadt. Doch der toughen Geschäftsfrau, die ständig am Handy hängt oder Präsentationen vorbereitet und nur an wichtige Geschäftspartner und –termine denkt, ist ihr Alt-68er-Vater – zumindest zunächst - nur peinlich.
Was nach einer üblichen Familienfindungsgeschichte klingt, ist doch etwas ganz anderes, ganz Wunderbares, weil Regisseurin Maren Ade völlig befreit erzählt und sich dabei auf zwei herausragende Schauspieler verlassen kann: Hinreißend zugeknöpft und steif spielt Sandra Hüller die Tochter, wird aber noch übertroffen von Peter Simonischek, dem das Kunststück gelingt in jeder Szene überzeugend einen Mann zu spielen, der wiederum jemand anderen spielt.
Nie wird der Handlungsverlauf dabei vorhersehbar, sondern überrascht immer wieder mit neuen Wendungen, bis das Finale eine Rückkehr zum Beginn und zur Frage nach dem Zentralen im Leben bringt. Nur kurz wird letztere freilich direkt thematisiert, im Kern aber ist diese großartige Tragikomödie ein Plädoyer sich von der gesellschaftlichen Überanpassung und der Orientierung an fremden Erwartungen zu lösen, die Masken fallen zu lassen und wieder zu seinen Gefühlen, seiner Identität zu finden.
Gasthof Jöslar, Andelsbuch: So 5.3., 18 Uhr: dreigängiges Menü (Reservierung unter: 05512/2312 oder kontakt@joeslar.at); 20 Uhr: Filmbeginn