Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 21. Jun 2018 · Film

Aktuell in den Filmclubs (22.6. - 28.6. 2018)

Das Filmforum Bregenz zeigt diese Woche die bissige bulgarische Tragikomödie „Glory“. Beim Takino Schaan steht dagegen Todd Haynes visuell grandiose Kinderbuch-Verfilmung „Wonderstruck“ auf dem Programm.

Glory: Kristina Grozeva und Petar Valchanov entwickeln aus der Geschichte um zwei Einzelpersonen ein Bild gesellschaftlicher Missstände im heutigen Bulgarien. Vor Überzeichnung schreckt das Regie-Duo dabei nicht zurück, wenn es der PR-Chefin des Verkehrsministers einen nicht nur einfachen, sondern auch noch stotternden Gleisarbeiter gegenüberstellt.
Dass die Karrierefrau zudem noch ein Kind will, bei den Gesprächen mit dem Gynäkologen über die künstliche Befruchtung aber stets durch Handygespräche mit ihrem Büro abgelenkt wird, hätte man zwar weglassen können, doch wie Grozeva/Valchanov dann Schritt für Schritt diese Geschichte weiterentwickeln und die starke Besetzung des Gleisarbeiters mit Stefan Denoybov nimmt doch für diese Tragikomödie ein.
Grundehrlich ist dieser Tsanko Petrov, gibt die Millionen, die er bei seiner Arbeit auf dem Bahngleis findet, sofort bei seinen Vorgesetzten ab. In medialer Inszenierung wird er dafür vom Minister geehrt, erhält eine Urkunde und eine neue Uhr, von seiner Frage nach den ausstehenden letzten Monatsgehältern und dem Hinweis auf Treibstoffdiebstahl bei der Bahn will der Minister aber nichts wissen. Verloren geht aber bei der Ehrung Tsankos alte Uhr, die er von seinem Vater geerbt hat.
Zum gefundenen Fressen wird er dadurch für einen TV-Journalisten, der Tsanko für seine Zwecke einspannt, ihn seinerseits vor der TV-Kamera die Missstände anprangern und über das Verschlampen seiner Uhr klagen lässt. Die PR-Chefin hat damit freilich wenig Freude und holt zu Gegenmaßnahmen aus.
Nah an den Figuren bleiben Grozeva/Valchanov, betten diese aber immer in ihr Milieu ein und drehen geschickt an der Handlungsschraube. Treffend wird so am Einzelfall die Arroganz der Oberschicht aufgedeckt und nicht nur mit Korruption abgerechnet, sondern auch mit der Instrumentalisierung des einfachen Bürgers, den man im Grunde verlacht, ihn aber andererseits gerne benützt, wenn man mit seiner Hilfe die Öffentlichkeit für sich gewinnen kann.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Fr 22.6., 22 Uhr


Wonderstruck:
Todd Haynes verknüpft in seiner Verfilmung von Brian Selznicks Kinderbuch in souveräner Parallelmontage zwei 1927 und 1977 spielende Erzählstränge, die selbstverständlich gegen Ende zusammengeführt werden: Während 1927 die etwa zehnjährige taubstumme Rose vor ihrem autoritären Vater aus dem großen Landhaus in Hoboken/New Jersey mit der Fähre nach New York flieht, um ihre Mutter zu suchen, haut 1977 der zwölfjährige Ben, der nach einem Blitzschlag ebenfalls taub ist, in Gunflint, Minnesota aus dem Krankenhaus ab, um in New York seinen ihm unbekannten Vater zu suchen, über den ihm seine verstorbene Mutter nie etwas erzählt hat.
Spannender als die Story ist einerseits, wie Todd Haynes diese erzählt, andererseits, welche Themen er darin verpackt. So meisterhaft der Amerikaner mit seinem Team in seinen Melodramen „Far from Heaven“ und „Carol“ die Atmosphäre der 1950er Jahre evozierte, so virtuos lässt er nun den Zuschauer in die späten 1920er und 1970er Jahre eintauchen.
Selbstzweck bleibt dabei die liebevolle und mit ihrem Detailreichtum begeisternde Rekonstruktion vergangener Zeiten, die auch das Verdienst von Kameramann Ed Lachman ist, aber nie, sondern führt vielmehr zum Kern des Films. Mag es an der Oberfläche auch um die Sehnsucht nach Geborgenheit und Familie sowie nach Freundschaft gehen, so verweist die Begeisterung Bens für die Astronomie ebenso wie ein Meteorit im Naturhistorischen Museum von New York, das sowohl Rose als auch Ben aufsuchen, auf den Kontrast zwischen der Unendlichkeit des Kosmos und der Endlichkeit des Menschen.
Schon in der Konzeption mit den beiden 50 Jahre getrennten Erzählsträngen ist diese Komponente der Vergänglichkeit und des Wandels dem Film eingeschrieben, gleichzeitig spielt Haynes aber auch durchgängig mit den Relationen. Denn so klein der Mensch im Kosmos und so verloren er – speziell ein Kind - auch in der Metropole New York sein mag, so groß ist er dann doch wieder, wenn die Protagonisten im Finale im Queens Museum über das fantastische Modell des Big Apple steigen.
Takino Schaan: Sa 23.6. + So 24.6. + Mo 25.6. – jeweils 20.30 Uhr