Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 19. Jän 2017 · Film

Aktuell in den Filmclubs (20.1. - 26.1. 2017)

Zwei meisterhafte Filme stehen diese Woche auf dem Programm: Der FKC Dornbirn zeigt Mia Hansen-Løve großartiges Frauenporträt „L´avenir – Alles was kommt“, die Kammgarn Hard Ruben Östlunds messerscharfe Gesellschafts- und Geschlechtersatire „Höhere Gewalt“.

L´avenir – Alles was kommt: Mit hohem Erzähltempo und agiler Kamera vermittelt Mia Hansen-Løve, wie die von Isabelle Huppert gespielte Philosophieprofessorin in ihrem ausgefüllten – aber nur intellektuell wirklich erfüllten - Leben kaum zur Ruhe kommt.
Mit Engagement unterrichtet die auf die 60 zugehende Lehrerin an einem Pariser Gymnasium, trifft sich in einem Verlag zwecks Überarbeitung eines von ihr geschriebenen Schulbuchs, muss sich um ihre unter Depressionen leidende Mutter kümmern oder erhält Besuch von ihren erwachsenen Kindern oder einem ehemaligen Schüler.
Zum Nachdenken kommt sie erst, als ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlässt und ihre Mutter nach kurzem Aufenthalt in einem Altersheim stirbt. – Freiheit scheint sie damit nach langer Zeit erstmals wirklich gewonnen zu haben und muss sich nun neu orientieren. Erkennen muss sie dabei zwar, dass sie mit dem radikalen gesellschaftspolitischen Engagement, mit dem sie auf einem Bauernhof im Vercors konfrontiert wird, nichts mehr anfangen kann, doch mit der Geburt eines Enkels kommt auch eine neue Rolle und Aufgabe auf sie zu.
Schon ziemlich großartig ist, wie Hansen-Løve um Huppert als Zentrum herum im Grunde vom ganzen Leben und seinen Wendungen erzählt, mit Nebenfiguren den Bogen von Geburt bis zum Tod spannt und gleichzeitig auch gesellschaftliche Umbrüche aufzeigt, wenn im Verlag Marketing und Verkaufszahlen über den Inhalt gehen, wenn die Aktivisten nur noch über Internet publizieren und ihre Texte ohne Namen versehen wollen, um ein Zeichen gegen den Individualismus zu setzen.
Ein reicher und dennoch leichter, nichts dramatisierenden und dennoch mitfühlend-warmherziger und trotz der ernsten Themen sommerlich heller Film ist der Französin hier gelungen.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 25.1., 18 Uhr + Do 26.1., 19.30 Uhr


Höhere Gewalt:
Eine schwedische Familie macht Skiurlaub in den französischen Alpen. Die Reaktion des Vaters bei einem Lawinenabgang, der sich rasch als harmlos erweist, erschüttert das Beziehungsgefüge zutiefst.
Meisterhaft und dank konzentrierter Inszenierung hochspannend seziert der Schwede Ruben Östlund Rollenmuster, entwickelt in langen statischen Einstellungen, unterstützt von großartigen unverbrauchten Schauspielern, enorme Intensität, und lässt auch den Witz nicht zu kurz kommen.
Kein runder, glatter und versöhnlicher Film ist das, sondern ein eckiger, kantiger und unerbittlicher - ein böser und kühler Blick auf Rollenverhalten und ihre Brüchigkeit. Messerscharf zeigt Östlund, wie durch das Durchbrechen antrainierter und zugeschriebener Verhaltensweisen und Geschlechterrollen leicht ganze soziale Gefüge zu zerbrechen drohen und nur mit Lügen und Täuschung wieder gekittet werden können. So fragt „Höhere Gewalt“ im Kern auch nach dem wahren Wesen des Menschen, nach Schein und Sein, nach der inneren Lawine, die durch einen leichten Knall ausgelöst werden kann.
Denn Östlund erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern spielt auch in den großartigen Bildern von Kameramann Fredrik Wenzel souverän mit Außen und Innen, spiegelt im Gegensatz von Landschaft und deren Zivilisierung das menschliche Wesen zwischen erlerntem Verhalten und ureigenem Instinkt.
Kammgarn Hard: Mi 25.1., 20.30 Uhr