Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 12. Mai 2016 · Film

Aktuell in den Filmclubs (13.5. - 19.5. 2016)

Im Takino Schaan läuft diese Woche Eva Vitijas preisgekrönter Dokumentarfilm „Das Leben drehen“. Beim FKC Dornbirn steht dagegen das mit dem Oscar ausgezeichnete Drama „Son of Saul“ auf dem Programm, in dem László Nemes mit quälender Intensität vom Holocaust erzählt.

Das Leben drehen – Wie mein Vater versuchte das Gück festzuhalten: Eva Vitija spürt in ihrem bei den heurigen Solothurner Filmtagen mit dem Prix de Soleure ausgezeichneten Debütfilm dem Leben ihres Vaters nach, der sie von Geburt an in jeder nur erdenklichen Situation gefilmt hat und sie fast nur durch die Kameralinse wahrnahm. In einer Mischung aus diesen Home-Movies, Interviews mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und weiteren Bekannten sowie Ausschnitten aus den Filmrollen ihres als Schauspielers erfolgreichen Vaters Joschy Scheidegger, versucht Vitija zu ergründen, wieso er alles mit der Kamera festhalten wollte.
Zunehmend muss die Regisseurin dabei feststellen, dass ihr Bild des Vaters bruchstückhaft oder falsch war. Sukzessive deckt sie Familiengeheimnisse auf, erkennt, wie selektiv die Wahrnehmung des Vaters war, wobei die kritische Auseinandersetzung sich langsam zu einer Hommage an den Vater wandelt.
So privat „Das Leben drehen“ auch ist - und schon fast exhibitionistisch die eigene Familiengeschichte ausstellt -, so wirft dieser Film doch auch weit über das Private hinaus für eine Zeit von Selfies, permanenten Fotografierens und sozialen Netzwerken nicht nur die allgemeine Frage nach diesem Drang alles bildlich festzuhalten und publik zu machen, sondern auch nach dem Verhältnis von dem Bild, das man der Öffentlichkeit präsentiert, und der Wirklichkeit auf.
Takino Schaan: Fr 13.5., + Di 17.5. - jeweils 18.30 Uhr


Son of Saul:
László Nemes schildert in seinem mit dem Oscar und dem Regiepreis von Cannes ausgezeichneten Langfilmdebüt das Vernichtungslager Auschwitz konsequent aus der Perspektive eines Insassen. Nichts erfährt man über die Hintergründe des Holocausts oder über den Nationalsozialismus und seinen Antisemitismus. Auf einen Tag im Herbst 1944 im Lager von Auschwitz und den bei einem Sonderkommando eingeteilten Saul konzentriert sich der Film. Ein Vorspanninsert informiert über diese Sonderkommandos, die für den reibungslosen Ablauf der Tötungsmaschinerie zuständig waren.
Irritation und Desorientierung löst die unscharfe erste Einstellung aus, klare Konturen stellen sich erst ein, wenn im Vordergrund Saul sichtbar wird. Ganz auf ihn wird sich die Kamera konzentrieren, seine Umgebung wird stets unscharf bleiben. Die Nähe der Kamera verstärkt noch die Beklemmung, die schon das 4:3 Format auslöst. Kaum einmal weitet sich der Blick, meist folgt die bewegliche Handkamera Saul unruhig in langen Einstellungen unmittelbar im Rücken oder fokussiert in Großaufnahme auf sein Gesicht.
Nicht zuordenbar sind so die Befehle und Beschimpfungen aus dem Off, das Gewirr an Deutsch und anderen Sprachen, das zusammen mit der auf schmutziges Braun und Grün reduzierten Farbpalette eindringlich eine beklemmende Atmosphäre evoziert. – Nur wenig sieht man hier, doch diese brillante Tonspur lässt im Kopf des Zuschauers das ganze Grauen aufsteigen. Mitten hinein in die Hölle versetzt Nemes so den Zuschauer, visualisiert den nicht vorstellbaren Horror aber nicht, zeigt nicht, was sich in der Gaskammer abspielt, lässt aber Saul und den Zuschauer vor der Tür das Schreien und Weinen hören.
Bewundern muss man die Kühnheit und Kompromisslosigkeit des 39-jährigen ungarischen Regisseurs, die Konsequenz mit der dieser quälende Film inszeniert ist. Keine Helden gibt es hier, kein Pathos und nur kurz kann bei einem Fluchtversuch Hoffnung aufkommen.
FKC Dornbirn im Filmkulturclub Dornbirn: Mi 18.5., 18 Uhr + Do 19.5. 19.30 Uhr