Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 29. Mär 2017 · CD-Tipp

Spoon: Hot Thoughts

Am Anfang bohrt sich das Titelstück des neunten Spoon-Albums mit wuchtig-funkiger Gitarre, harten Drums, spannungsgeladenen Basslinien, hämmerndem Piano und eindringlichem Gesang inklusive kleinerer elektronischer Spielereien rasch in die Gehörgänge. Als Finale erklingt das knapp fünfminütige, rein instrumentale „Us“ – erstmals in der Bandgeschichte steht ein Saxophon – nämlich jenes des jungen Kaliforniers Ted Taforo - im Zentrum, das umrahmt von Keyboards, Synthie-Klackern, kurzen Xylophon-Einwürfen und rumpelnden Beats ein kraftvoll-expressives Stimmungsbild malt.

Auch die acht Titel dazwischen lassen an Abwechslungsreichtum nichts zu wünschen übrig, denn Gitarrist/Sänger Britt Daniel, Drummer Jim Eno, Bassist Rob Pope und Keyboarder Alex Fischel schaffen auch mit „Hot Thoughts“ wieder den schwierigen Spagat zwischen Massentauglichkeit und Experimentierlust, der 1993 schon programmatisch festgelegt wurde, als die Band sich nach dem Erfolgstitel „Spoon“ der deutschen Avantgarde-Rocker Can benannte. Die Texaner begeben sich erstmals fern jeglicher Akustikgitarre und mit vermehrtem Einsatz von Tasteninstrumenten und Elektronik auf die Suche nach abwechslungsreichen Sounds und sie integrieren Versatzstücke aus unterschiedlichsten Stilen organisch in ihren unverwechselbaren Spoon-Sound – von Psychedelischem zu hypnotisch Ambient-Artigem, von scheppernden Grooves zu Beatles-Harmonien, von stampfendem Funk zu geradlinigem, aber nicht kraftprotzendem Rock. Dabei setzen sie weit mehr auf Reduktion denn auf Bombast und vermeiden alles Ausufernde zugunsten klarer Strukturen, die aber immer für überraschende Wendungen gut sind. Seine volle Kraft entfaltet das neunte Studio-Album wie alle Spoon-Vorgänger erst nach mehrmaligem Hören, weil sich dann der Detailreichtum erst so richtig fassen lässt. Wer dabei über die Textzeilen „Let them build a wall around us – I don’t care – I’m gonna tear it down“ stolpert, sollte das nicht als geharnischten Protest gegen den „alternative facts“-Weltmeister, diese menschgewordene Niveaulosigkeit im Weißen Haus, verstehen, denn das Stück wurde geschrieben, als Donald Trump noch lange nicht gewählt war. Andererseits: ein bisschen Prophetie traut man Spoon gerne zu.

(Matador/Beggars)