Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 09. Apr 2018 · CD-Tipp

Michael Wollny Trio: Oslo + Wartburg

Der stets experimentierfreudige deutsche Pianist Michael Wollny nahm mit seinem Langzeitweggefährten Eric Schaefer an den Drums und dem 2015 anlässlich des Albums „Nachtfahrten“ neu ins Trio eingestiegenen Schweizer Kontrabassisten Christian Weber innerhalb von nur einer Woche im September letzten Jahres die 24 Tracks für die beiden nun gleichzeitig veröffentlichten Alben auf.

Für „Oslo“ begab man sich ins berühmte Rainbow Studio, wo unter Leitung des genialen, von zahlreichen ECM-Produktionen her bekannten Toningenieurs Jan Erik Kongshaug hauptsächlich Titel von Wollny, aber auch fürs Trio arrangierte Kompositionen von Fauré, Hindemith, Debussy, des Finnen Einojuhani Rautavaara oder des Saxophonisten Heinz Sauer eingespielt wurden. Ob stimmungsvolle Ballade („Roses Are Black“), impressionistisch angehauchte „Farbenlehre“, eigenwilliger Funk-Exkurs („Hello Dave“) oder quirlig-dramatisches „Perpetuum Mobile“ – die drei sind bestens aufeinander eingespielt und verstehen es, ihre kreativen Ideen mit spielerischer Leichtigkeit zu dichten, musikalisch überzeugenden Klanggemälden zu komprimieren, bei denen Komposition und Improvisation nahtlos ineinander übergehen. Improvisationstalent war aber vor allem auch angesichts der eingeladenen Gäste gefordert, ist doch völlig spontanes Musizieren Programm beim wirklich außergewöhnlichen, 22-köpfigen Norwegian Wind Ensemble unter seinem Leiter Geir Lysne. Aus dieser Session fanden drei Stücke den Weg aufs Album, besonders eindrucksvoll ist das zwölfminütige „The Whiteness of The Whale“, das aufgrund von Minimalangaben (12 Töne und 10 Akkorde) Michael Wollnys entstanden ist und sich vorzüglich als Soundtrack für einen Psychothriller eignen würde. Eine Woche später nahm das Trio zum Teil dieselben Titel nochmals im Rahmen eines Live-Konzerts in der Wartburg bei Eisenach auf, die als Fluchtdomizil Martin Luthers Berühmtheit erlangte. Angesichts des Touristenandrangs gestaltete sich der Soundcheck dementsprechend schwierig bis unmöglich, was von Tonmeister Adrian von Ripka schließlich beim Konzert dieselbe Improvisationskunst erforderte, wie von den Musikern. Als Fremdkompositionen standen hier Scott Walkers „Big Louise“ und Bob Brookmeyers „White Blues“ auf dem Programm, ab dem sich dann auch für das letzte Drittel des Konzerts der exzellente Sopransaxophonist Emile Parisien ins musikalische Geschehen einbrachte. Der Franzose hat ja schon in verschiedenen Konstellationen mit Michael Wollny musiziert, unter anderem produzierten sie 2016 miteinander das exquisite Duo-Album „Tandem“. Dementsprechend locker fügte sich Parisien in Eric Schaefers spannungsgeladene, rhythmisch vertrackte, knapp zehnminütige „Tektonik“ oder in Wollnys teuflisch drauflosmarschierenden „Engel“ ein. Mit „Make A Wish“, dem mit den Norwegern improvisierten Opener von „Oslo“, fand das Wartburg-Konzert seinen stimmungsvollen Abschluss – eine exzellente musikalische Klammer für eine eindreiviertel Stunden dauernde musikalische Achterbahnfahrt.

(ACT)