Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 06. Nov 2013 · CD-Tipp

Lee Ranaldo: Last Night on Earth

Hatte Gitarrist Lee Ranaldo nach dem Split von Sonic Youth letztes Jahr mit „The Times And The Tides“ ein kraftvolles Lebenszeichen gesetzt, so legt er nun mit „Last Night On Earth“ ein noch ausgereifteres Album vor, auf dem er jene Erfahrungen verarbeitet, die er machte, als er in seinem New Yorker Appartement wegen des Hurrikans Sandy eine Woche lang ohne Strom, Wasser und Heizung auskommen musste.

Eine Apokalypse im Kleinen also, die der bekennende Occupy-Sympathisant in neun durchaus konventionell gebaute, melodieorientierte Songs gießt, die sich allerdings durch höchst anregende Gitarrenexkursionen im Schnitt auf 7, im jam-artigen Finale „Black Out“ sogar auf 12 Minuten Länge ausdehnen. Schon beim letzten Album hatte sich mit Sonic Youth-Drummer Steve Shelley, dem Avantgarde-Gitarristen Alan Licht und dem stilistisch vielseitigen Tim Luntzel am Bass die Band The Dust herausgebildet, die mittlerweile aufgrund längerer Tourneen hervorragend aufeinander eingespielt ist. Lee Ranaldo führt alte Grateful Dead-Alben als musikalische Inspirationsquellen an, allerdings drängen sich noch häufiger Erinnerungen an Neil Young in all seinen Schaffensphasen auf – von psychedelischen E-Gitarren-Ausschweifungen zu kleineren Grunge-Attacken, CSN&Y-artigem Harmoniegesang und warmherzigen akustischen Gitarrenpassagen. Die apokalyptischen Bilder tauchen „Last Night on Earth“ nicht in Verzweiflung und Düsternis, sondern werden beispielsweise auch mit einem tänzelnden Spinett gemalt und erhalten dadurch etwas Spielerisches und Leichtfüßiges. Ob „Last Night on Earth“ als Soundtrack zum Weltuntergang taugt, ist also zu bezweifeln, dass es sich um eine Feierstunde – nicht nur – für Freunde gepflegten Gitarrenrocks handelt, steht aber fest.
(Matador/Beggars Group)