Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 29. Jun 2015 · CD-Tipp

Kamasi Washington: The Epic

Ein 32-köpfiges Orchester, ein 20-köpfiger Chor, ein mit zwei Bassisten, zwei Drummern und zwei Vokalisten außergewöhnlich besetztes Jazz-Tentett, 3 CDs/LPs, 172 Minuten Spielzeit – der 33-jährige Tenorsaxophonist Kamasi Washington aus Los Angeles backt wahrlich keine kleinen Brötchen. Er hat sich drei Jahre mit diesem Projekt beschäftigt, die 17 zwischen sechs und vierzehn Minuten langen Stücke der Tetralogie sind seine letzte Auswahl aus insgesamt mehr als 200 Titeln, die in dieser Zeit entstanden sind. „The Epic“ verdient also wahrlich diesen Namen – und um es gleich vorwegzunehmen – auch die begeisterten Reaktionen der internationalen Kritik.

Dabei geht es weniger um den Neuigkeitswert des musikalisch Gebotenen – Sun Ra, Coltrane und Pharoah Sanders sind unschwer als Kamasi Washingtons wichtigste Einflüsse auszumachen –, als um die Wucht und das Selbstverständnis, mit der diese oftmals brodelnde Mischung aus intergalaktischen Chören, opulent Großorchestralem und kraftvollen Jazz-Soli daherkommt. Washington, der Musikethnologie an der University of California studierte, hat hörbar die ganze Jazz-Geschichte intus und lässt auch Soul-, Funk-, Gospel- und R&B-Elemente einfließen. Verwunderlicherweise fischt Washington trotz seiner Nähe zu und Zusammenarbeit mit Flying Lotus, Thundercat oder Kendrick Lamar in recht traditionellen Gewässern, Spuren von Hip Hop oder Elektronica sind keine auszumachen. Dafür finden eher unspektakuläre Interpretationen von Ray Nobles Standard „Cherokee“ oder Debussys „Clair de Lune“ ihren Platz. Erst mit dem von Terence Blanchard komponierten vorletzten Stück „Malcolm’s Theme“, das Zitate aus einer Rede der später ermordeten Blackpower-Ikone Malcolm X enthält, werden die politischen Implikationen von „The Epic“ deutlich und somit doch noch ein direkter Bezug zu Lamars vor Kurzem ebenfalls auf dem Brainfeeder-Label erschienenen erstklassigem Album „To Pimp A Butterfly“ hergestellt. Das letzte Stück „The Message“ mit einem kraftstrotzenden Solo des Bandleaders macht dann klar, dass mit weiteren Botschaften Kamasi Washingtons zu rechnen ist.

(Brainfeeder)