Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 08. Feb 2018 · CD-Tipp

John Surman: Invisible Threads

Der 73-jährige, in Oslo lebende englische Saxophonist und Klarinettist John Surman hat bislang rund vierzig Alben als Leader veröffentlicht - rund die Hälfte davon auf dem Münchner ECM-Label - und mehr als hundert Produktionen prominenter Mitstreiter aus dem "Who is Who" des Gegenwarts-Jazz mit seinen Beiträgen veredelt. Wenngleich tief verankert in der ruralen englischen Tradition, erwies sich der vielseitige Musiker und Komponist stets auch als experimentierfreudig und offen für musikalische Herausforderungen - etwa in Form neuer ethnischer Einflüsse oder unorthodoxer Bandkonstellationen.

Dazu zählt auch Surmans neuestes Trio mit dem in seiner brasilianischen Heimat äußerst renommierten Pianisten Nelson Ayres und dem aus New York stammenden, seit den 1980-er Jahren in Norwegen lebenden Vibraphonisten und Marimba-Spieler Rob Waring. Man vermisst keine Sekunde lang ein Bass/Schlagzeug-Gespann, vielmehr scheinen sich in Anbetracht des konzentrierten und zumeist luftig-leichten Musizierens die zwölf großteils von Surman eigens für dieses Projekt geschriebenen Kompositionen zu einer Suite aneinanderzureihen. Die drei exzellenten Musiker agieren wie äußerst geschmackssichere Maler, die mit feinen Pinseln und delikaten Farben gemeinsam an wunderbaren Stimmungsbildern malen, die stets höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen, aber dennoch immer auch erdverbunden und emotional ansprechend sind. Gerade durch Reduktion und Dezenz erreicht das Akustik-Trio atmosphärische Dichte und Ausdrucksstärke. John Surman erweist sich einmal mehr als hervorragender Sopran- und Baritonsaxophonist und als einzigartiger Magier auf der Bassklarinette, der wunderbare Geschichten erzählt und mit seiner lyrischen Wärme gefangen nimmt. Er lässt Nelson Ayres und Rob Waring jeglichen Raum zur Entfaltung, sodass die konventionelle Solist-Begleiter-Funktion zugunsten sich wechselseitig inspirierender Triologe aufgebrochen wird. Die verblüffende Harmonie und Geschlossenheit angesichts der Tatsache, dass das Trio erstmals fünf Tage vor den Aufnahmen im Osloer Rainbow Studio gemeinsam proben konnte, beruht natürlich auf einer perfekten Bandchemie – das daraus entstehende Spielvergnügen springt unmittelbar auf die Hörer über.

(ECM/www.lotusrecords.at)