"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Füssl · 01. Nov 2016 · CD-Tipp

John Scofield: Country For Old Men

Nun macht sich der in Sachen Vielseitigkeit kaum zu übertreffende Stargitarrist also auch noch das Country-Genre zu eigen, und zwar mit so viel Einfallsreichtum, Witz und Experimentierfreude, dass so manchem alten Redneck das Herz stehen bleiben und jenes aufgeschlossener Jazzfans Freudensprünge machen dürfte. Zum Auftakt wiegt Scofield den Hörer mit einer Country-nahen Interpretation von „Mr. Fool“ noch in der Illusion schunkelnder Gemütlichkeit, aber schon beim hemmungslos zur rasanten BeBop-Nummer umfunktionierten Hank Williams-Klassiker „I’m So Lonesome I Could Cry“ wird klar, dass er sich hier die eingängigen Country-Melodien für erfrischend unkonventionelle Jazz-Improvisationen zunutze macht.

„Wir improvisieren, bewahren aber die Integrität, den Charakter und den Twang dieser wundervollen amerikanischen Musik“, so Scofield, der sich selbst überrascht zeigt, wie gut es ihm gelingt, „counrtyesk“ zu klingen. Aber natürlich spickt er Titel wie Merle Haggards „Mama Tried“, Dolly Partons „Jolene“ oder Jack Clements „Just A Girl I Used To Know“ mit seinen gitarristischen Fingerfertigkeiten, dehnt und zerdehnt die Töne, lässt sie explodieren oder reiht sie wie Perlen zu eleganten Ketten aneinander. Selbst einem fast schon unerträglich gewordenen, weil auf jedem Jahrmarkt zu Tode gedudelten Traditional wie „Red River Valley“ gibt Scofield mit Hilfe seiner kongenialen Langzeitweggefährten die musikalische Würde zurück. Steve Swallow lässt seinen Bass singen, dass es eine wahre Freude ist, und dem einfühlsamen Drummer Bill Stewart gelingt der Spagat zwischen Country- und Jazz-Attitüde ebenso perfekt wie Larry Goldings, der am Piano, vor allem aber an der Hammondorgel viel Atmosphärisches beisteuert. John Scofield wird heuer zwar 65, aber von Altmänner-Musik, wie der Plattentitel in Anspielung auf Cormac McCarthys von den Coen-Brüdern verfilmten Roman „No Country For Old Men“ ironisch suggeriert, ist dieses erfrischende und abwechslungsreiche Album, das sich mit ähnlich gelagerten Versuchen von Bill Frisell locker messen kann, meilenweit entfernt.

(Impulse!/Universal)