Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 21. Okt 2013 · CD-Tipp

John Abercrombie Quartet: 39 Steps

Den Gitarristen John Abercrombie, der seit 1974 auf mehr als 50 ECM-Aufnahmen gespielt hat, und den Pianisten Marc Copeland verbindet eine mindestens ebenso alte musikalische Freundschaft. Beide spielten Anfang der 1970er Jahre sowohl bei Chico Hamilton, als auch in der von den Brecker-Brothers geleiteten Jazz-Rock-Formation Dreams. Auch Bassist Drew Gress und Drummer Joey Baron trafen seit Jahrzehnten immer wieder sowohl mit Abercrombie als auch mit Copeland in den unterschiedlichsten Formationen zusammen.

Man kennt sich also haargenau und ist bestens aufeinander eingespielt – eine hervorragende Voraussetzung, wenn es darum geht Alfred Hitchcock-gleich über eine knappe Stunde lang die Suppe am brodeln zu halten. Die Titel „Vertigo“, „Spellbound“, „Shadow Of A Doubt“ und das Titelstück „39 Steps“ verweisen natürlich alle auf den großen „Master of Suspense“, dessen filmische Kunstgriffe zum Spannungsaufbau hier ihren musikalischen Ausdruck finden. Die vier kongenialen Musiker verzichten nämlich weitestgehend auf große Dramatik und plakative Effekte, und dennoch oder gerade deswegen entfaltet sich die musikalische Interaktion in einer ganz besonderen Intensität, die einen unweigerlich in ihren Bann zieht. Das Gros der Titel stammt aus der Feder John Abercrombies, der von sich behauptet, sein Gitarrespiel sei „im Lauf der Zeit sowohl freier als auch traditioneller“ geworden. Auf dieses Album mit seinem lyrischen und balladenhaften Grundton trifft sicherlich Letzteres zu, wenngleich bei der Kollektivimprovisation „Shadow Of A Doubt“ und bei der herrlichen Dekonstruktion des mehr als hundert Jahre alten Jazzstandards „Melancholy Baby“ auch Freunde avantgardistischerer Töne auf ihre Kosten kommen.
(ECM/Vertrieb: www.lotusrecords.at)