Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 03. Aug 2015 · CD-Tipp

Jazz at Berlin Philharmonic IV: Accordion Night

Längst ist das „Orchester des kleinen Mannes“ von seinem unverdient schlechten Ruf als Quetschen biederer Volks(tümlicher)musik-Varianten rehabilitiert worden, und vor allem im europäischen Jazz macht man sich längst die Klangvielfalt und den Facettenreichtum des Akkordeons zunutze. Kein Wunder also, dass ACT-Label-Chef Siggi Loch dieses universale Instrument in den Mittelpunkt eines seiner höchst erfolgreichen „Jazz at Berlin Philharmonic“-Abende stellte, zumal er eine ganze Reihe großartige Könner im eigenen Stall hat, die er alle in Duo-Formationen präsentierte.

Für einen furiosen Auftakt mit einem selbst komponierten Tango nuevo sorgen der virtuose Kärntner Klaus Paier und seine kongeniale Langzeitpartnerin Asja Valcic am Cello. Der Norweger Stian Carstensen brilliert solo mit einem ausgesprochen klangfarbenreichen norwegischen Traditional, ehe er mit dem polnischen Geiger Adam Bałdych auf aufregende Duo-Expedition geht. Der junge französische Akkordeonist und Shooting-Star Vincent Peirani lieferte mit seinem bestens eingespielten Partner, dem Saxophonisten Emile Parisien, eine wunderbare Hommage an Sidney Bechet und mit der Michel Portal gewidmeten Eigenkomposition „Temps pour Michel’P“ einen märchenhaft beschwingten Musette-Walzer, der so spielerisch leicht ins Ohr geht wie ein guter Wein die Kehle runter. Während diese drei Könner eine klassische Ausbildung absolvierten, lernte Régis Gizavo sein Handwerk auf den Straßen Madagaskars und erhielt seine musikalischen Inputs auf Volksfesten und aus dem Radio. Im Duo mit dem äußerst vielseitigen vietnamesisch-stämmigen französischen Gitarristen Nguyên Lê, ebenfalls ein begnadeter Autodidakt, singt und spielt er seine etwas simplere, madegassisch geprägte Worldmusic. Und was würde sich besser als berauschendes Finale eines dermaßen grandiosen Abends eignen als der von allen Künstlern gemeinsam interpretierte „Libertango“ Astor Piazzollas, schließlich war es der fingerfertige Argentinier, der die Renaissance des Akkordeons in der künstlerisch anspruchsvollen Musik vor vierzig Jahren eingeleitet hat.

(ACT)