Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 28. Mär 2016 · CD-Tipp

Esperanza Spalding: Emily’s D+Evolution

Okay, was gibt’s noch zu tun, wenn man mit 20 die jüngste Professorin aller Zeiten am Berkeley College of Music in Boston war, mit 31 Jahren mit vier Solo-Alben vier Grammys abgestaubt hat und in Jazzkreisen sowohl als Bassistin als auch als Komponistin und Sängerin höchstes Renommee genießt? Richtig, man erfindet sich einfach neu! So wurde aus Esperanza Spalding quasi über Nacht Emily, die ihre Frisur vom Hendrix-Afro auf (zum Glück etwas fülligere) Stevie Wonder-Löckchen umgestylt hat, um mit witziger mintfarbener Nerdbrille und exklusiven Klamotten in ein gänzlich anderes musikalisches Genre umzusteigen.

Zwar erweiterte sie schon im 2012 erschienenen Vorgänger-Album „Radio Music Society“ ihr Jazz-Konzept beherzt und mit Charts-Erfolgen belohnt um Pop-, Soul- und Funk-Elemente, mit „Emily’s D+Evolution“ geht sie nun aber noch einen entscheidenden Schritt weiter. Die 14 mit einer Ausnahme alle von Spalding geschriebenen Titel verdichten sich zu einer Art atemloser, stilistisch breit gefächerter Art-Rock-Musical-Revue – mal leichtfüßig poppig, dann wieder überraschend deftig und hart, erdig soul- und bluesgetränkt oder mit viel Background-Gesang üppig aufgedonnert. Genoss Spalding bislang den Ruf einer exquisiten Kontra- und E-Bassistin mit beachtlichen stimmlichen Qualitäten, so legt sie nun ihrer Vokalkunst keinerlei Fesseln mehr an, sprengt risikobereit alle Grenzen, spielt gekonnt mit Klischees und Pathos und vollführt atemberaubende Bocksprünge. Ihr Bassspiel ist ebenso wuchtig aber auch wendig wie Matthew Stevens’ Gitarre und Justin Tysons bzw. Karriem Riggins Drums. Einen besseren Koproduzenten als den legendären Tony Visconti (David Bowie, T. Rex, Gentle Giant und Hunderte weitere zufriedene Klienten bürgen dafür) konnte sie für dieses schräge, ausgefallene Projekt ohnehin nicht finden. „D+Evolution“ ist auch autobiographisch gefärbt, wird doch Esperanza Spalding zuhause in Oregon immer noch mit ihrem echten Middle-Name Emily gerufen. Vielleicht hat sie sich nach ihrem unglaublich schnellen Ruhm mit diesem phantasievollen Täuschungsmanöver ein Stück ihrer jugendlichen Wildheit zurückerobert, jedenfalls darf man schon gespannt sein, wie es nun – fröhlich zwischen allen Stühlen und musikalischen Lagern gelandet – künftig weitergehen wird.

(Concord Records/Universal)