Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 28. Okt 2013 · CD-Tipp

Die glorreichen Sieben: Keep On Rockin’ In The Free World

Dass sich Jazzer Rock- und Popgrößen vornehmen, hat längst Tradition – man denke nur an die zahllosen Beatles-Interpretationen der letzten fünf Jahrzehnte. In jüngerer Zeit fielen etwa Doran/Stucky/Studer/Clarke mit ihrem eigenwilligen Hendrix-Programm positiv auf, der Gitarrist Nguyên Lê überzeugte ebenfalls mit Hendrix in Album-Länge und schoss noch weitere 60er/70er-Jahre-Adaptionen unter dem Titel „Songs of Freedom“ nach. Das Trio Three Fall zelebrierte Red Hot Chili Peppers-Songs, der Vibraphonist Franck Tortiller bearbeitete Led Zeppelin und Janis Joplin, und Jens Thomas/Verneri Poholja setzten ein sonderbares Tribute to AC/DC in die Welt. So weit, so gut. Das konnte man als zwischen den Jazz- und Rock-Lagern Pendelnder durchaus genießen, mitunter auch gerade noch verkraften.

Bei Neil Young, zu dessen Fans ich mich seit Jahrzehnten zähle, geht’s jetzt aber wirklich ans Eingemachte. Denn dieser Säulenheilige der zeitgenössischen Popularmusik hat nicht nur solo und mit Bands wie Crosby, Stills, Nash & Young, Crazy Horse oder in Zusammenarbeit mit Pearl Jam das Singersongwriting, den Folk-Rock und diverse härtere Spielarten bis hin zum Grunge revolutioniert, sondern er steht vor allem auch als Persönlichkeit immer noch glaubwürdig für ein politisch bewusstes, stets unangepasstes Hippie-Lebensgefühl jenseits belämmerter Friede-Freude-Eierkuchen-Romantik. Sein Gitarrenstil, vor allem aber seine irgendwie immer ein bisschen verletzlich wirkende, höchst emotionsgeladene Stimme sind unverwechselbar, viele seiner Songs sind nicht zufällig zu einer Art Evergreens der Alternativ-Szene geworden. Neil Young für Jazzband – kann das gut gehen? Ja, es kann! Und wie! Denn „Die glorreichen Sieben“, die zuletzt mit ihren Western-Filmklassiker-Adaptionen begeisterten, treffen nun mit ihren unkonventionellen, weiträumigen, mal stimmungsvoll lyrischen, mal handfest krachenden Improvisationen genau das Lebensgefühl, für das Neil Young-Songs stehen. Die beiden Drummer Alfred Vogel und Christian Lillinger sowie Bassist Flo Götte schaffen mit spielerischer Leichtigkeit den an sich schwierigen Spagat, gleichzeitig für solide Bodenhaftung zu sorgen und dennoch Kalle Kalmia, diesem einzigartig kreativen Energie-Bündel, jede Menge Freiraum zu lassen. Der finnische Wahl-Berliner lotet seine Gitarre in alle Richtungen aus und entlockt ihr gleichermaßen geistvolle wie emotional ansprechende Improvisationen. Unsterbliche Melodien wie „Cinnamon Girl“, „Heart of Gold“, „Ready for the Country“, „Like a Hurricane“ oder „Words“ dienen Kalima als ideale Absprungbasis, als Impulsgeber für höchst Eigenwilliges, das sich aber nie völlig, sozusagen bis zur Unkenntlichkeit, vom Original entfernt. Man spürt stets die Ernsthaftigkeit, mit der das exquisite Quartett dieses Projekt betreibt, aber auch den Spaß, der sich aus der Auseinandersetzung mit dem außergewöhnlichen Songmaterial ergeben hat. Hier wird nicht in Richtung kommerzieller Erfolg geschielt, sondern auf Teufel komm raus ohne Netz und doppelten Boden drauflos improvisiert. „Die glorreichen Sieben“ haben möglicherweise das ausgefallenste Geburtstagsgeschenk für den kultigen Großmeister in petto, der am 12. November nun auch altersmäßig zum 68-er wird!
(Boomslang Records/www.traps.at)