Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 30. Okt 2017 · CD-Tipp

Anouar Brahem: Blue Maqams

Der tunesische Oud-Virtuose und Komponist Anouar Brahem hat seit Anfang der 1990-er Jahre auf seinem Haus-Label ECM in unterschiedlichsten Besetzungen ein Dutzend exzellenter Alben veröffentlicht. Folglich sind in seinem Fall die Erwartungshaltungen der Fans vor Neuveröffentlichungen besonders hoch, aber selten dürften sie so voll erfüllt oder gar noch übertroffen worden sein wie nun mit „Blue Maqams“. Dieses Album hat Brahem anlässlich seines 60. Geburtstags vergangenen Mai unter der bewährten Leitung von Manfred Eicher im New Yorker Avatar Studio aufgenommenen – mit einem absoluten Dreamteam.

Der phänomenale Kontrabassist Dave Holland war Brahem schon bei der erfolgreichen Produktion „Thimar“ vor rund zwanzig Jahren ein idealer Partner. Der wiederum bildet gemeinsam mit Jack DeJohnette seit dem ersten Zusammentreffen für Miles Davis’ „Bitches Brew“ ein Rhythmusgespann der Extraklasse, das später noch auf vielen Produktionen etwa mit John Abercrombie oder Kenny Wheeler permanent verfeinert wurde. Diese beiden ECM-Urgesteine holte sich Brahem natürlich gerne ins Team, als echter Glücksgriff erwies sich aber der englische Pianist Django Bates, den Manfred Eicher dem qualitätsbewussten Tunesier erst noch anhand der Aufnahmen zu dessen neuem Album „The Study of Touch“ schmackhaft machen musste. In den neun Brahem-Kompositionen, die sich von wenigen Ausnahmen abgesehen zwischen acht und elf Minuten Länge bewegen, stellen Holland und DeJohnette ihre über Jahrzehnte gewachsene souveräne Technik und ihr unglaubliches Einfühlungsvermögen gepaart mit einem unerschöpflichen musikalischen Einfallsreichtum in den Dienst der Sache. Holland lässt seinen Bass singen, dass es eine Freude ist, und DeJohnette erzielt mit sparsamsten Mitteln größte Wirkung. Brahem und Bates brillieren mit wunderschönen Soli, umgarnen sich in subtilen Dialogen und inspirieren sich wechselseitig zu brillanten Höchstleistungen. Arabische Musik und zeitgenössischer Jazz begegnen sich hier absolut auf Augenhöhe, die Akteure schöpfen aus dem Besten zweier musikalischer Welten, ohne die eine oder die andere zu desavouieren. Beiden gemeinsam ist der Wille zu Improvisationen, die sich – hier oft bis zur Ununterscheidbarkeit – perfekt in die durchkomponierten Passagen einfügen. Vor allem verstehen es aber auch alle Beteiligten, die absolut in die Tiefe und unter die Haut gehenden, zauberhaften Stimmungen aus Anouar Brahmens musikalischer Welt so aufzubereiten, dass sie zur genussvollen Feierstunde für ein universales Publikum jenseits aller Genregrenzen werden. (ECM/www.lotusrecords.at)

Konzert-Tipps: Brahem, Holland, DeJohnette und Bates sind am 11. April in der Tonhalle Zürich und am 14. April in der Münchner Philharmonie zu sehen und zu hören.