Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 05. Dez 2016 · CD-Tipp

Agnes Obel: Citizen Of Glass

In ihrem dritten Album macht die in Berlin lebende Dänin Agnes Obel den „gläsernen Menschen“ zum Thema – vom Staat durchleuchtet, von Verkaufsstrategen ausgeforscht, sich in sozialen Netzwerken freiwillig selbstentblößend. Auch der Künstler, der immer vor der Entscheidung steht, wie viel er von sich selbst preisgeben will, macht sich gläsern. Wie bei Obel üblich, sind die mit zahlreichen Anspielungen auf literarische Einflüsse gespickten Texte aber nicht so leicht zu dechiffrieren, bleiben im Mehrdeutigen, Geheimnisvollen, Zerrissenen.

Das mehrfach duplizierte, verschwommen ineinander montierte Porträt der Sängerin auf dem Cover illustriert diesen gedanklichen Background auf perfekte Weise. Dementsprechend düster-melancholisch wirken auch die auf Piano, Celli, Geige und dem Synthesizer-Vorgänger Trautonium gezauberten Klangräume. Mit viel Liebe zum Detail perfekt und effektvoll arrangierte musikalische Kleinode, irgendwo zwischen Kammermusik und Minimal Music, Einaudi und Reich angesiedelt. Obel versteht es perfekt, ihre glasklare, ausdrucksstarke, manchmal hauchzarte, aber immer gefangen nehmende Stimme in Szene zu setzen, sie auch mal in eine männliche Stimmlage herunterzupitchen, um mit sich selbst in Dialog treten zu können, oder sie auf Backgroundchor-Stärke zu multiplizieren. Jede der zehn neuen Eigenkompositionen ist ein perfektes kleines, poetisch verspieltes Singersongwriter-Drama, das in rätselhaft verwunschene Regionen entführt, mitunter auch tief in die eigene Seele hinein, wo sie als Soundtrack für den eigenen Film Noir dient. Die Düsternis lastet aber nicht tonnenschwer auf dem Gemüt, sondern löst sich immer in etwas Luftig-Schwebendes, Warm-Verträumtes auf. Aber Vorsicht! „Citizen Of Glass“ kann auf einschlägige Charaktere süchtig machend wirken und das Abspielgerät auf unabsehbare Zeit blockieren.

(Play It Again Sam)