Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 18. Jul 2015 · Ausstellung

Vom Mooszickzack bis zu Mädchenmorgenblütenträumen - Edgar Höscheler und Edgar Leissing im stillgelegten Bahnhof Doren-Sulzberg

Die beiden Kunstschaffenden Edgar Höscheler und Edgar Leissing nähern sich im Rahmen eines gemeinsamen Ausstellungsprojektes dem Thema „Faltenwurf“ an. Und zwar auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Während sich bei den Zeichnungen und Ölbildern des 1960 in Bregenz geborenen Leissing alles um die Falten der Juppe, also der traditionellen Bregenzerwälder Tracht dreht, erzeugt Höscheler Faltenstrukturen der anderen Art, indem er natürliche und gefundene Materialien wie Schwemmhölzer, Moos, Äste, Rechenkrallen oder angekohlte Hartfaserplatten und anderes an- und ineinanderreiht, assembliert, zusammenfügt und auf Bildträger montiert. Gezeigt werden die Werke im komplett ausgehöhlten ehemaligen Bahnhof Doren-Sulzberg, der in einen beeindruckenden Kunst- und Kulturraum inmitten einer phantastischen Landschaft verwandelt wurde.

Von der nackten Haut bis zur angezogenen Festtagstracht


Die Idee zu den Juppen-Zeichnungen und Gemälden ist eigentlich während der Aktzeichnungsworkshops entstanden, die Leissing seit nunmehr 30 Jahren in seinem Atelier durchführt. Eine Künstlerin aus dem Bregenzerwald, die eine Zeitlang auch regelmäßig den Abendakt besuchte, bot sich Leissing zufolge an, Modell und Juppe zu organisieren. Leissing: „Sie selbst bekleidete sich in der ersten Sequenz Schritt für Schritt mit Unterrock, Leibchen, das zweite Modell schnürte den Faltenrock und half beim Anlegen des Gürtels, Mieder, Bleats, Schößle, blauer Schal um den Hals und Scheahuot auf den Kopf.“ Man kam auf den Geschmack und wollte mehr Bewegung ins Spiel bringen. Und in der Folge wurde mit Veronika Larsen eine ursprünglich aus Alberschwende stammende Tänzerin und Tanzpädagogin eingeladen, die mit ihren Performances in Bregenzerwälder Tracht und dem Buch- und Filmprojekt „Folta“ bereits großes Aufsehen erregt hatte. Leissing: „Sie stand uns quasi nur im gefältelten Linnen einer ausgedienten Arbeitstracht Modell. 500 schwarze Falten über nackter Haut ohne Bleatz, ohne D‘rügschtuklat Güortol, ohne Keadora, ohne Vöortuoh und allem Drumherum ... Sie tanzte sich wild ein wie bei einem Derwischtanz. Es blähte sich die schwarze Juppe auf zum Klang der schwarzen Bassklarinette von Edgar Höscheler. Strenge gerade Falten wurden gebogen, ergaben Formspannungen wie bei barocken Röcken oder japanischen Geishakimonos.“

Kennzeichen all der in dieser Auseinandersetzung entstandenen Zeichnungen sind die Leichtigkeit und der Schwung, mit der der Künstler seine Stifte führt. Zum Juppentanz Larsens ist auch umfangreiches fotografisches Dokumentationsmaterial entstanden. Diesem entnahm Leissing Juppenfragmente als Vorlage, um damit seine gemalten nackten Schönheiten sukzessive wieder einzukleiden. Die Nackten „schlängeln sich und schlüpfen wie aus einem Kokon, die Faltenbögen wölben sich wie Blütenkelche oder Flügel über die Rücken und plustern sich wie balzende Auerhähne auf ...“ (Leissing) Entsprechend poesievoll sind denn auch die Titel der Ölbildserie: "MädchenmorgenBlütenträume", "SeelenlandschaftScheinheilige" oder "WindhauchTraumhäutung".

Natürliches, Ausrangiertes und Gefundenes als Material


Ist es bei Leissing stets der Mensch, der das Bildmotiv liefert, so sind es bei dem in Doren lebenden und arbeitenden Künstler und Architekten Edgar Höscheler (Jahrgang 1961) die anfassbaren Dinge, mit denen er seine Bild- und Objektwelten erzeugt. Im Katalog, der zur Ausstellung erscheint, schreibt Künstlerkollegin Margot Meraner zum Schaffen Höschelers: „Dachziegel, alte Holzschindeln, Schneestecken und Holzrechen, die abgelöste Rinde einer mächtigen Pappel, Lianen, Moos, Rhabarberblätter oder ein hinausgeworfener Christbaum. Mit feinem Gespür für die wahre Natur des Materials, mit handwerklichem Geschick und nicht zuletzt mit unbändiger Spiel-Lust wird hier (scheinbar) Wertlosem neue Wertigkeit verliehen: zur Form gebracht, als Bild im Raum, als Raum in der Landschaft, sich dem Betrachter öffnend. Ein unvertrauter Blick auf Vertrautes, dabei findet eine Art ‚reframing’ statt, oft temporär, sich verändernd, sich wieder auflösend.“

Materialien aus der Natur, aber auch Weggeworfenes bis hin zum Müll bezeichnen also die Bausteine von Höschelers Kunstwerken. Beispielsweise hat ein Junge auf einem Feld Hartfaserplatten angezündet. Dadurch löste er ein gewaltiges Feuer aus, sodass die Feurwehr aufmarschieren und löschen musste. Die verkohlten Reste ließen sie liegen. Höscheler sammelte sie ein und arrangierte passende Stücke auf einem hölzernen Bildträger. Mit etwas Phantasie ähneln die rundlichen, angesengten Hartfaserteile des Bildes "Leopardenfell" dem Querschnitt einer Juppe von unten betrachtet. Oder das Schwemmholzbild: Hier sammelte der Künstler über einen ganzen Sommer hinweg geeignete Schwemmhölzer entlang der Rothach, einem Zufluss der Bregenzerache. Die Hölzer hat er derart auf einer 70 mal 430 cm großen Pappelsperrholzplatte angeschraubt, dass sie sich zu einer ungemein substanziellen, wie im Fluss befindlichen Struktur verdichten. Pappelsperrholz ist übrigens der Hauptbildträger des Dorener Künstlers. Für das Werk "Mooszickzack" wiederum verdichtete Höscheler gefundenes Moos zu einem ornamentalen Muster auf dem Holzbildträger.

Spezieller Ort der Kunst


Aber nicht nur das Ausstellungsthema „Faltenwurfzusammenspiel“ der Höscheler-Leissing-Werkschau ist speziell, sondern auch der Ort der Präsentation - der stillgelegte Wälderbähnle-Bahnhof Doren-Sulzberg, bei dem die Gemeinde vor etlichen Jahren zwar das Dach ausbesserte, der aber seit Langem dahindümpelte und dem Zerfall preisgegeben war. Höscheler, im Hauptberuf ja Architekt, hat ein Faible für die Wiederbelebung leerstehender, ungenutzter Räume und Bausubstanzen. Ihn habe dieser Bahnhof regelrecht „angefleht“, etwas aus ihm zu machen. Sein Vorschlag zur Reanimation des Gebäudes kam sowohl beim Land, dem der Bahnhof gehört, als auch bei der Gemeinde, die ihn verwaltet, gut an und er erhielt Unterstützung zugesagt, den Bau zu renovieren. Höscheler brach die Wände gleichsam im Alleingang heraus, verputzte den Rest neu, zog einen Holzboden ein und erneuerte Fenster, Türen und Elektrik. Im nächsten Jahr soll die Außenhaut des Bahnhofes auf Vordermann getrimmt werden. Momentan hat Höscheler sein Atelier dort eingerichtet. Neben etwaigen Ausstellungen und gemeinsamem Arbeiten mit anderen Kunstschaffenden vor Ort, böte sich dieser „Kunstraum“ aber etwa auch für Lesungen und Kleinkonzerte an. Was aber letztlich alles noch daraus wird, steht noch in den Sternen, denn beispielsweise fehlen noch die sanitären Anlagen. Und die sind trotz der Unterstützung von Land und Gemeinde eine Kostenfrage.

Jedenfalls steht der Bahnhof in interessanter Lage. Er befindet sich fast mitten im Campingplatz, in der Nähe des Tiergnadenhofes, und er ist Ausgangspunkt des Radweges in Richtung Egg, der ungemein beliebt ist. An manchen Tagen parken dort bis zu 50 Autos, so Höscheler. Mit der weiteren Nutzung des Bahnhofes könnte hier ein feines Kleinod der kulturellen Begegnung heranwachsen. Einen Vorgeschmack, was sich hier abspielen könnte, erhielt man bereits im Rahmen der Vernissage der Ausstellung, die gleichzeitig auch die Einweihung des neuen Kulturraumes war. Weit über 100 Leute kamen zur Eröffnung und es entwickelte sich zwischen Bahnhof und Bregenzerache ein gewaltiges Fest der Kunst und des Gesprächs.

 

Faltenwurfzusammenspiel
Edgar Höscheler und Edgar Leissing

Bahnhof Doren
Bis 9. August
Jeweils So 14-18 u.n.tel.Vereinbarung
(0650 702 00 47)