Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 21. Feb 2017 · Ausstellung

Die Poesie verspielter Bühnenobjekte - Susanne Keller im Vaduzer Kunstraum Engländerbau

Der enorm große und dadurch schwierig zu bespielende Kunstraum Engländerbau in Vaduz wird derzeit von einer Reihe verspielter, locker im Raum verteilter Bühnenobjekte der Schweizer Künstlerin Susanne Keller besetzt. Die aus unzähligen filigranen Kleinteilen zusammengebauten Miniaturräume erscheinen im selben Ausmaß aufwändig wie voller Poesie.

Das komplexeste und aufwändigste Objekt im Engländerbau ist wohl das choreografische Objekt „Musicisti“. Es stellt ein markantes Beispiel einer Werkserie dar, für die die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des „Tanzes“ den Impetus lieferte. Neben Materialien wie Holz auf Rädern, diversen Bildern oder Folien kommen hier auch gesprochene Texte und Musik zum Einsatz. Die 1980 in Zürich geborene Künstlerin Susanne Keller hat mit „La voce dell'opera“ eigens einen italienischen Text verfasst, der von einer weiblichen und einer männlichen Stimme gesprochen wird. Hinzu kommen Tonaufnahmen aus Verona, wie etwa Ausschnitte aus der Oper „La Traviata“, oder die Geräusche fahrender Vaporetti, von Straßengesprächen oder dem Meeresrauschen aus Venedig. Die Arbeit ist so dicht an filigranen Papierschnittmustern und -figuren, Bändern, Texturen, Malereien und aus Zeitungen ausgeschnittenen Architekturen und anderen Bildern, dass diese „Hommage“ an Bella Italia allein für eine Ausstellung ausreichend wäre.

Aber Keller zeigt neben „Musicisti“ noch zwei weitere installative Objekte sowie vier „bebilderte Bühnen“. Alle von einer unglaublichen poetischen Materialität getragen. Eine der bebilderten Bühnen nennt sich „Das Wachsfiguren-Kabinett“. Eine Art Guckkasten steht hier auf einem Dreifuß. Rosa Rosen zieren den Himmel, fotokopierte Marmorbüsten baumeln von der Decke und Rosa Luxemburgs Konterfei ist zwischen Fäden eingespannt. Auf schmalen Spruchbändern, die der einstigen Lichtgestalt der europäischen Arbeiterbewegung und des Kommunismus aus dem Hirn sprießen, steht in Endlosschlaufen geschrieben: „Brechgesang, Gesang, Sprechgesang, Brechgesang...“

 

Miniaturisierte Theaterbühnen

 

Die Zürcher Künstlerin arbeitet oft monate- und jahrelang an ihren lukullischen, vielfach an miniaturisierte Theaterbühnen erinnernden Objekten. In ihren aus unzähligen Einzelteilen zusammengebauten installativen Anlagen kommen die unterschiedlichsten Elemente zum Tragen, angefangen von Holz, Karton, Steinen, Bildern, Federn, Folien, Fäden, Acrylfarbe bis hin zu Metallen und Klebstoffen. Häufig werden die materialintensiven Konstellationen noch ergänzt durch technische Zutaten wie etwa DVD-Player oder Diaprojektoren, denn auch Musik, gesprochene Texte und visuelle Projektionen spielen eine zentrale Rolle bei der Konstruktion solcher Kunstwerke.

 

Bis Keller zu ihrer unverwechselbaren bildnerischen Ausdrucksform fand, war es ein langer Weg. Wie sie selber erzählt, hat sie schon beim Vorkurs zur Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich und danach als Hospitantin und noch später während der Lehre zur Fotofachangestellten unentwegt gezeichnet und gemalt und dabei immer stark ins räumlich gehende Ideen und Vorstellungen auf Papier festgehalten. Aber erst als sie danach den Studiengang „Bildende Kunst“ an der Zürcher Hochschule der Künste (2004-2008) tatsächlich belegte, begann sie die gesammelten Ideen allmählich zu realisieren. Hinzu kam, dass das dreidimensionale Schaffen einen immer größeren Stellenwert erhielt. Inspirationen und aber auch Themen und Bilder, die sie inhaltlich interessieren oder rein optisch oder akustisch ansprechen, sind es, die für den Beginn eines Werkes ausschlaggebend sind. Es sind Gedanken, die sich über längere Zeiträume hinweg netzartig entwickeln und sich letztlich zu poesievollen Materialisierungen verdichten. Im Begleittext zu ihrer aktuellen Ausstellung im Kunstraum Engländerbau in Vaduz heißt es: „Themen wie der Guckkasten, die Fotografie, der Film und das Theater nimmt Keller immer wieder wegen deren Kulissenhaftigkeit, des äusseren Charmes und dem gesellschaftlichen Interesse in die Formung ihrer Arbeiten ein. Susanne Keller ist es wichtig, einen poetischen Klang in die Arbeiten einzubringen. Die Arbeit soll einen verschlüsselten Charakter und einen optischen, akustischen Reiz besitzen.“

 

Neben den installativen Objekten und Kästen präsentiert Keller im Engländerbau auch einen Zyklus von handkolorierten Inkjetprints sowie eine Serie von grobkörnigen Landschaftsfotografien, die in Erinnerung rufen, dass die Künstlerin ja eine gelernte Fotografin ist. Und die Limmatstädterin schreibt auch viel. Und dazu nicht schlecht. Einige Textbeispiele sind an der einen Längswand des Engländerbaus appliziert. Aber die Texte sind abgekoppelt von den bildnerischen Elaboraten zu sehen. Sie haben einen eigenständigen Charakter, stehen für sich allein.


Susanne Keller: Materialisierung eines poetischen Gedankennetzes

Kunstraum Engländerbau, Vaduz
Bis 19.3.
Mo-So 13-17, Di 13-20
www.kunstraum.li