Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 08. Sep 2015 · Ausstellung

Sphärische Räume architektonisch verortet – Skizzen, Entwürfe, Modelle und großformatige Originalzeichnungen zu Per Kirkebys Backsteinbauten im KUB-Sammlungsschaufenster

Das Kunsthaus Bregenz (KUB) widmete dem wohl wichtigsten skandinavischen Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Per Kirkeby, im Jahre 1997 eine große Personale. Kirkeby bedachte das KUB damals mit einer Schenkung von über 200 teils großformatigen Originalzeichnungen und Entwurfsskizzen zu seinen berühmten Backsteinbauten und Architekturen. Eine erlesene Auswahl davon kann noch bis 27. September im KUB-Sammlungsschaufenster im alten Bregenzer Hauptpostgebäude besichtigt werden.

Nach den Modellen und Entwürfen von Stararchitekt Peter Zumthor sowie der Präsentation der KUB-Ankäufe ist „Per Kirkeby – Backstein: Skulptur und Architektur“ die nunmehr dritte Ausstellung im KUB Sammlungsschaufenster im alten Bregenzer Posthauptgebäude. Kuratiert wird sie von Rudolf Sagmeister.

Der dänische Künstler Per Kirkeby zählt zu den letzten übriggebliebenen universellen Kunstschaffenden. Der 1938 in Kopenhagen geborene ausgebildete Geologe ist nicht nur in der Malerei, Zeichnung und Skulptur beheimatet, sondern er hat auch brilliante literarische und kunsttheoretische Werke veröffentlicht. In seinem Buch „Nachbilder“, das 1991 im Verlag Gachnang und Springer erschienen ist, schreibt der Däne auf Seite sieben: „Ich glaube, man wird nur ein großer Maler, wenn man sich in größter Demut, aber auf dem selben Niveau, mit den Größten unterhält. Ich glaube, dass Malen lächerlich ist.“

In den 1960er-Jahren hat sich Kirkeby intensiv mit dem abstrakten Expressionismus und dem Minimalismus auseinandergesetzt. Von hier aus führte der Weg dann unmittelbar zu den aus Backsteinen gebauten skulpturalen Gebilden, die wohl zu seinen interessantesten bildhauerischen Werken zählen und im Laufe der Jahre immer mehr architektonische Anliegen verfolgten. Die umfassende Bildung des Dänen, sein Wissen um historische Bauformen und die aus zahlreichen Studienreisen, auch außerhalb Europas, gewonnenen Eindrücke finden in diesen Backsteinbauten eine komprimierte Referenz.

Architektur oder nicht Architektur


Anhand dieser reduzierten, elementaren Baukörper stellt Kirkeby grundsätzliche Fragen an die Architektur: Wo beginnt sie, wo endet sie? Der Literaturkritiker Otto Kapfinger schreibt dazu: „Die Frage, ob Kirkeby Architektur macht oder nicht, ist nur eine rhetorische, eine ideologische. Wenn wir den Ursprung der Baukunst im Kultischen sehen, das mit der Aufrichtung von Malen und der Markierung von Orten beginnt, ist die Antwort einfach. Wenn wir das Dach, die Geste des Schutzes an den Beginn des Baues stellen, bleibt die Antwort für die fast durchwegs dachlosen Räume Kirkebys offen. Es könnte aber auch so sein, dass heute für die emotionale Behausung der Menschen an ungeklärten Orten solche im banalen Sinne schutzlosen Räume eben eine geistige, erlebnishafte Sphäre sichern und damit einen Part ausfüllen, den die landläufige Architektur viel zu selten wahrnimmt.“ (Otto Kapfinger in: Backsteinskulptur und Architektur. Werkverzeichnis. Hrsg. v. KUB 1997, S. 27)

Ornamentale Raster und Grundformen


Kirkeby geht bei diesen Bauten stark von additiven Grundformen, einfachen Rastern und ornamentalen Strukturen aus. Immer wieder sind es mäanderartige Muster, Hakenkreuzvorlagen oder Neuner-Quadrate, die den formalen Konstruktionsstoff zu seinen komplexen und teils geheimnisvollen Werken liefern. Nochmals Otto Kapfinger: „Kirkeby hat selbst sehr klar über seine Faszination durch das Ornament gesprochen. Am Beginn stand wohl eher die Vorliebe für die von kompositorischen Hierarchien freie Art der Wiederholung, der Reihung einfacher, gleicher Elemente – im Sinne der Minimal Art. Sein Verständnis geht aber über das hinaus und folgt der Spur aller jener, die im Ornament eine Illustration der pulsierenden Dynamik des Lebens selbst erblicken, eine abstrakte Formwerdung des endlosen Auf und Ab der Existenz, des fortwährenden Wechsels von Werden und Vergehen, der unablässigen Wiederholung der in polare Strukturen gebetteten Zyklen des Seins.“ (Kapfinger, ebd., S. 24)

Kurator Rudolf Sagmeister hat für die Ausstellung die besten großen Entwurfszeichnungen in Tusche und Rötel für die Backsteinskulpturen ausgewählt und diese mit kleinformatigen Skizzen, Skizzenheften, Fotos und Modellen angereichert. Mit dabei ist etwa auch der „Lesepavillon für Eremiten“, den Kirkeby, ausgehend von der Geschichte des Ortes, für den Park der Vorarlberger Landesbibliothek entworfen hatte. Die Landesbibliothek ist ja seit 1985 in einem von den Nationalsozialisten aufgelösten Benediktiner-Kloster untergebracht. Dieser Backsteinskulptur liegt ein kreuzförmiger Grundriss zugrunde. Die Wände sind teilweise durchbrochen und rechtwinklig verlängert, sodass sich geschützte Nischen und Sitzplätze ergeben. Der daraus resultierende Grundriss eines umgekehrten Hakenkreuzes gab Anlass zu heftigen Diskussionen. Letztlich wurde diese Skulptur aber nicht resultiert, da die Landesbibliothek den Baugrund vorgeblich für einen Erweiterungsbau reservieren wollte.

Im Nachhall zur Personale 1997 erhielt das KUB zusätzlich zu den Zeichnungen auch mehr als hundert Bücher von Kirkeby vermacht. Es sind teils kostbare, heute vielfach vergriffenen Kleinauflagen, die den wichtigen Aspekt des Dänen als Schriftsteller, Kunsttheortiker und Kunstvermittler vor Augen führen und in den Ausstellungsräumlichkeiten in Vitrinentischen präsentiert werden.

 

Per Kirkeby
Backstein: Skulptur und Architektur

KUB Sammlungsschaufenster, Bregenz
Bis 27.9.2015
Fr-So 10-18
www.kunsthaus-bregenz.at