Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Karlheinz Pichler · 25. Mär 2018 · Ausstellung

Lücken und Nischen als Ausgangspunkt gestalterischer Ausdrucksformen – Studenten der Klasse Ottmar Hörls im QuadrART Dornbirn

Im privat geführten Dornbirner Ausstellungshaus QuadrART läuft aktuell bereits die 30. Ausgabe der Reihe „Ansichten“, deren Konzept darauf beruht, dass ein geladener Kurator ein oder mehrere Werke aus der Sammlung Erhard Witzels Arbeiten von internationalen Kunstschaffenden gegenüberstellt. Diesem Konzept folgend, zeigt „Ansichten XXX“ nun in einem feinen Einblick, was sechs StudentInnen aus der Klasse von Ottmar Hörl der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg auf dem Kasten haben. Wobei Objekte und Bilder von Hörl, von denen sich etliche in der Sammlung Witzel befinden, den vergleichenden Ausgangspunkt darstellen. Hörl ist auch gleichzeitig Kurator der Schau.

Wer gegenwärtig die Räumlichkeiten des QuadrART in Dornbirn betritt, stößt unvermutet oder zufällig immer wieder auf winzige Holzskulpturen von Toni Ostler. So hängt ein 4 mal 3 mal 3,5 Zentimeter kleiner Pilot in einem Schleudersitz an einem dünnen Faden von der Decke herunter. Oder knapp unter dem Plafond ist kaum wahrnehmbar ein winziges Schaf auf dem Gesimse der Fensterlichte platziert. „Ruheposition“ nennt sich eine unscheinbar kleine, auf dem Rücken liegende Figur, die in einen Haselnuss-Stecken geschnitzt ist, der links hinten wie zufällig in der Ecke liegt. Und im Kellergeschoß unternimmt ein aus Lindenholz geschnitzter Astronaut eine Expedition auf einer „planetoiden“ Pendelleuchte. Die Winzlinge sind fast guerillartig in den Räumen verteilt, nur ein aufmerksamer Besucher nimmt sie überhaupt wahr.

Toni Ostler ist einer der sechs StudentInnen, deren Werke zu jenen ihres Professors Ottmar Hörl in Bezug gesetzt werden. Galerist und Kunstsammler Erhard Witzel, der das QuadrART Dornbirn gemeinsam mit der Künstlerin Uta Belina Waeger betreibt, arbeitet seit gut 25 Jahren mit Hörl zusammen. Der deutsche Künstler, der seit 1999 eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg inne hat und seit 2005 auch Präsident dieser Akademie ist, beschäftigt sich in seinen Werken mit der Ästhetik der Alltagskultur. Weithin bekannt wurde er mit Objekten aus Polyvinylchlorid in extrem hohen Auflagen. Der Angebotskatalog umfasst unter anderem das Modell „Dürer Hase“, das 2003 in 7000 unterschiedlich grünen Exemplaren den Hauptplatz von Nürnberg bedeckte. Oder den „Hessischen Löwen“, 2007 in viertausendfacher Ausfertigung vor der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden aufgestellt. Wem das zu putzig vorkommt, für den hält der Handel spritzgussgefertigte Künstlerköpfe von Joseph Beuys, Pablo Picasso, Andy Warhol oder Marcel Duchamp bereit. Hörls Installationen setzen jedenfalls auf Kontextualität: Eulen für Athen, Bären für Berlin, Rottweiler für Rottweil. Auch Gartenzwerge mit zum Hitlergruß erhobener Hand stehen zur Disposition. Wegen letzteren etwa leitete die Staatsanwaltschaft in Nürnberg im Juli 2009 gegen Hörl ein Ermittlungsverfahren wegen „Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen“ ein. Die Anzeige, die letztlich eingestellt wurde, hielt ihn nicht davon ab, im Oktober 2009 eine Installation von gleich 1200 Gartenzwergen mit Hitlergruß in Straubing bei München zu zeigen.

Witzel, der auf viele Arbeiten Hörls in seiner Sammlung verweisen kann, traf den Künstlerprofessor vergangenes Jahr im Rahmen eines Meetings in Ravensburg und lud ihn ein, eine der mittlerweile schon traditionellen „Ansichten“-Ausstellungen in Dornbirn zu kuratieren und dabei eine Auswahl der in der Sammlung befindlichen Werke als Referenzstücke auszuwählen. Hörl sagte spontan zu und stellt nun in der Jubiläumsausstellung „Ansichten XXX“ zwei Gemälden, zwei Legostein-Wandarbeiten (Playground I und II), die von Farbigkeit und der Geometrie her ein wenig an den deutschen abstrakten Maler und Grafiker Günter Fruhtrunk (1923-1982) erinnern, sowie einem aus fast 30.000 schwarzen Legosteinen bestehenden Objekt (Blackstone, 2014) die Werke seiner Studenten an der Nürnberger Akademie gegenüber.

Work in Travel

Als Professor ist es Hörl ein Anliegen, möglichst früh seine Studenten auszustellen. Deshalb reist er auch viel mit ihnen herum und verknüpft solcherart Bildung und Praxis miteinander. Aber im Grunde ist das gesamte Leben, angetrieben durch die physische und virtuelle grenzenlose Mobilität, ohnehin nur noch eine ununterbrochene Reise, über die die Kunstschaffenden ständig reflektieren. Daher auch der Titel der Schau „Work in Travel“.

Hörls Klasse verfügt bewusst über keine augenfällige fachspezifische Ausprägung. Ihre Kunst geht von den Lücken und Nischen gestalterischer Ausdrucksformen aus. Sie bewegt sich in einem Spannungsfeld, in dem eindeutige stilistische und materialbezogene Zuordnungen nicht beansprucht oder nicht gewollt werden. „Traditionelle Bildhauereipraxis und intermediale Ausrichtung (Fotografie, Video, Performance, Neue Medien) ermöglichen einen flexiblen künstlerischen Aktionsradius, der eine entscheidende Voraussetzung zur Bearbeitung zeitgemässer Aspekte in vielfältiger Form liefert und es erlaubt, für die Problemstellungen aktueller künstlerischer Strategien und gestalterischer Arbeitsfelder die jeweilig geeigneten Ausdrucksmittel zu finden und einzusetzen,“ ist einem Begleittext des QuadrART zu entnehmen.

Auf Anfrage der KULTUR teilte das Institut Hörls in Nürnberg zu dieser Ansichten-Ausstellung Folgendes mit: „Das Thema 'Work in Travel' mit seinen unterschiedlichen Facetten fließt seit Wochen in jede einzelne künstlerische Arbeit der Studenten ein. Eine tiefe und intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten dieses aktuellen gesellschaftlichen Themas wurde von Prof. Ottmar Hörl seinen Studenten als Aufgabe gestellt, um durch seine fordernden Rückfragen, Anregungen und Denkanstöße möglichst viele souveräne und interessante künstlerische Arbeiten von den Studenten zu erhalten.“ So sind in Dornbirn klassische Skulpturen genauso zu sehen wie Wandobjekte und Installationen. Unterschiedliche Denkweisen sollen in ganz unterschiedlichen Medien realisiert werden. „Mit einem gesellschaftlichen Phänomen sich zu befassen ist die Methode, die von Ottmar Hörl gewählt wurde, um diese Ausstellung zu entwickeln. 'Work in Travel', ein Phänomen der letzten Jahre, ein alternatives Lebensmodell für Junge Menschen, eine Utopie, die wir als Künstler mit unseren Techniken bewerten und verarbeiten sollen,“ heißt es.

Malerei und die Kraft der Linien

Gegenständliche Details etwa bieten den Ursprung für die Malerei der 1989 in Nürnberg geborenen Künstlerin Katharina Kiupel. Allerdings treten diese hinter eine vereinfachte, zusammenfassende Darstellung zurück. Dadurch lassen die Formen einen Spielraum zur Interpretation. Kiupel kombiniert die atmosphärischen Eigenschaften von Malerei mit der grundlegenden und aufbauenden Kraft der Linien einer Zeichnung. Die Linien sind zugleich Ausgangspunkt für die Gestaltung der Flächen. Die Künstlerin bereitet ihre Malerei in Tuschezeichnungen vor. Dabei reduziert sie die Motive bereits auf das Wesentliche, oft auf wenige Linien. Im Großen wird das Ergebnis durch die Farben, die meistens kräftig und plakativ sind, sofort zu einem Blickfang, wie ihre drei in Dornbirn präsentierten Werke „KLA“, „WED“ und „FAL“ belegen.

Bildobjekte

Als Grundlagenforschung der praktischen Bildwissenschaft umschreibt der in Costa Rica geborene Diego Sindbert sein Schaffen. Sindbert: „Aus der Auseinandersetzung mit Grundbausteinen der Malerei, wie Farbe, Form und Komposition entwickle ich Thesen über Malerei und ihre Wirkungsmechanismen. Diese werden dann in dreidimensionalen Bildobjekten umgesetzt, welche gewissermassen als Experimente dazu dienen die Thesen zu überprüfen.“ Seine im QuadrART zu sehenden Stoff-auf-MDF- und Acryl-auf-Leinwand-Objekte erinnern an geometrische beziehungsweise an konvexe und konkave Formaluntersuchungen.

Ausgangsmaterialien der Arbeiten der aus Linz stammenden Künstlerin Angelika Huber sind textile Gewebe und Alltagsbekleidung. Huber verwendet Stoffe und fängt damit eine Bewegung, einen Moment ein. Textilien werden zu Objekten und Gemälden geordnet. Huber spielt mit dem Materialempfinden des Betrachters. Interessant sind in Dornbirn etwa ihre quadratisch zu einem Wandwürfel übereinandergeschichteten Bekleidungsstoffe (Concrentration, 2017, 30 mal 30 mal 30 Zentimeter) oder ihre zu Wandobjekten geformten Baumwollcanvas.

Stahl – geschweißt oder detoniert

Auf den Werkstoff Stahl ausgerichtet sind Jeremy Wegscheider und Waldemar Scheck. Sie bearbeiten dieses genauso harte und widespenstige aber gleichwohl auch flexible Material auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Wegscheider unterzieht den Stahl sprichwörtlichen Belastungstests, indem er Stahlplatten detonieren lässt. Die damit erzielten Verformungen, Verknautschungen usw. verleiten den Betrachter zu formalen Assoziationen. Mit „Waveblade“, „Bean“, „o.T.“ und „Fold“ sind von ihm vier markante Exponate zu bestaunen.

Eher klassisch lässt sich Waldemar Scheck auf den Stahl ein. Er bearbeitet das Material mit Hilfe des Schweißens und des Auftragens von Lack. Scheck: „Es ist ein archaisches Arbeiten. Es ist laut, anstrengend und die Funken fliegen“. Formal holt sich der Bildhauer beim Zusammenschweißen der Teile auch Anregungen aus der Natur, etwa bei den Flugformationen von Vöglen. Und er schreckt auch nicht vor dem Überdimensionalen zurück: „Im Moment plane ich ein sieben Meter hohes Werk,“ sagt der Künstler.

Ansichten XXX: "Work in Travel"
Mit Angelika Huber, Katharina Kiupel, Anton
Ostler, Waldemar Scheck, Diego Sindbert, Jeremy
Wegscheider und Ottmar Hörl
Kurator: Ottmar Hörl, Nürnberg
QuadrART Dornbirn
bis 4.5.2018
nach telefonischer Vereinbarung: 0043(0)5572 909958 oder 0043(0)680 1231844
www.quadrart-dornbirn.com