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Karlheinz Pichler · 08. Dez 2013 · Ausstellung

Kartonwand mit Origami-Strukturen und aufgemalten Rinderschädelskeletten – Lisa Ruyter und Peter Sandbichler im Kunstforum Montafon

Mit Lisa Ruyter und Peter Sandbichler bestreiten zwei Kunstschaffende die diesjährige Winterausstellung des Kunstforums Montafon, die an und für sich sehr unterschiedlich arbeiten, für Schruns aber eine imponierende, installative Gemeinschaftsarbeit entwickelt haben.

Die 1968 in Washington DC geborene US-Künstlerin Lisa Ruyter lässt in ihrer Malerei Elemente aufblitzen, die an die Pop Art erinnern. So umrahmt sie etwa ihre Motive und verwendet kräftige, plakative Farben. Bislang dienten vor allem Fotografien, die sie auf ihren weiten Reisen gemacht hat, als Vorlagen für ihre Malereien. Neuerdings bezieht sie diese Vorlagen aber aus einem Archiv in Washington DC, das ein riesiges Reservoire an Copyright-freien Fotografien beherbergt.

Der ehemalige Gironcoli-Schüler Peter Sandbichler, 1964 in Kufstein zur Welt gekommen, ist wiederum vor allem in den Bereichen Skulptur, Objektkunst, Medien und Installationen zu Hause. Er bringt industriell vorgefertigtes Ausgangsmaterial in formgebende Ordnungssysteme, die als dreidimensionale Resultate immer wieder auf politische, soziale, öffentlichkeitswirksame oder private Intentionen zurück verweisen und mediale Einflussnahmen reflektieren. Mit seinen Arbeiten, die zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, Positiv- und Negativformen changieren, rückt Sandbichler zudem die Raumrezeption ins Zentrum und sorgt bei der Betrachterschaft für Standortverunsicherungen.

Ein verbindendes Element zwischen Ruyter und Sandbichler ist vielleicht das Einbeziehen ornamentaler Strukturen als Mittel zur Reduktion und Abstraktion.

Raumteiler aus Karton

In der ehemaligen Schrunser Lodenfabrik an der Litz, die dem Kunstforum Montafon seit Jahren als Heimstätte dient, warten Ruyter und Sandbichler nun nicht mit einzelnen eigenen Werken auf, die sie additiv aneinanderreihen, sondern sie haben in enger Kollaboration eine imponierende installative Gemeinschaftsarbeit entwickelt. Im Zentrum dieser Raumintervention steht eine Wand aus Kartonagen und Holz, die Sandbichler im Stile der Origami-Technik erbaut hat. Die Wand ist dabei so raffiniert installiert, dass sie den Besucher des Kunstforums zunächst umleitet und er nur die Rückseite der Wand zu Gesicht bekommt. Man/frau betritt den eigentlichen Raum über eine "Rampe" entlang der Fenster, auf rund 50 cm Höhe. Durch die podestartige Verbauung erhöht, mäandrieren die Besucher auf Fahrradverpackungskartons entlang der Wand und stehen vollformatig im Fenster, sodass sie die Litz, die draußen vorbei fließt, nicht nur hören, sondern auch sehr gut sehen können. Sie werden also an der Rückseite der Wand entlang geführt und ihr Blick nach außen gelenkt. Sind sie am Ende dieses architektonischen Eingriffs angekommen, öffnet sich der Raum und der Hauptteil der Installation wird sichtbar, nämlich die von Ruyter bemalte Vorderseite der Kartonwand.

Tragendes Motiv der Acryl-Bemalung ist ein skelettierter Rinderschädel in den „Badlands“ von South Dakota, den Ruyter einer Fotografie von Arthur Rothstein entnommen hat. Rothstein gehört mit anderen Fotoklassikern wie Walker Evens oder Dorothea Lange zu den FSA-Photographers (Farm Security Administration). Diese Fotografengruppe hat im Auftrag der FSA die Lebenssituation armer amerikanischer Farmen, deren ökonomische Situation eklatant bedroht war, fotografisch dokumentiert und mit dieser Form von Sozialfotografie Fotogeschichte geschrieben. Ins überdimensionale vergrößert, wiederholt sich das „Ornament“ des Rinderschädelskeletts in unterschiedlichen, popigen Farben entlang des Raumteilers. Durch die Origami-artige Strukturierung der Wand erhält die Malerei Ruyters eine ganz spezifische 3D-Wirkung.

The Skull

Ein Gemälde eines Rinderschädelskeletts in einer ausgetrockneten, von Rissen geprägten Landschaft liegend, ist übrigens auch als Acryl-Arbeit auf Leinwand präsent. Sie trägt den Titel „Arthur Rothstein ‚Dry and parched earth in the badlands of South Dakota“. Und von Sandbichler ist separat so ein Schädel als Großskulptur (280 x 220 x 70 cm) aus glasfaserstärktem Kunststoff (GFK) zu sehen. Abgerundet wird die Kunstschau von zwei weiteren, ebenfalls aus GFK gefertigten Objekten („alte schachtel“ Nr. 30 und 39) und einer Wandarbeit („Ohne Titel“, Origami Faltung) von Sandbichler sowie einer Film-Installation von Ruyter. Und zwar hat die US-Künstlerin den Stummfilm „The Wind“ mit nach Schruns gebracht, den Victor Sjöström 1928 gedreht hat und bei dem Lillian Gish und Lars Hanson in den Hauptrollen spielen. Der Film handelt von einer von Virginia aus westwärts fahrenden Frau (gespielt von Gish), die sukzessive in ein Eifersuchtsdrama hineinschlittert. Bei diesem Film, der am Beginn (respektive am Ende) der Ausstellung zu sehen ist, kommt dem Wind als omnipräsente lästige Erscheinung und immer wieder Zerstörung bringende Kraft eine tragende Rolle zu. Als Hintergrund-Sound ist einzig das Tosen der vorbeirauschenden Litz zu vernehmen.

Exakt auf den Raum abgestimmt

Das beeindruckende an dieser Ausstellung ist deren dichte Geschlossenheit und die punktgenaue Abstimmung auf die Raumverhältnisse im Kunstforum Montafon. Ausgangspunkt ist die architektonische Intervention von Peter Sandbichler, der mit seiner Kartonwand die Grenzen zwischen Innen und Außen überschreiten will und darüber hinaus raum- und oberflächenspezifische Untersuchungen zur Skulptur anstellt – immer unter Einbezug des Betrachters. Durch die Bemalung mit Schädelskeletten erfährt dieses nüchtern-abstrakte architektonische Gebilde auf der Vorderseite dann eine gewaltige inhaltliche Aufladung. Eine Aufladung, auf die Sandbichler seinerseits mit einer großen Schädelskulptur reagiert. Womit sich der Kreis schließt und die Schau zu einem Gesamtkunstwerk verschmilzt.

Lisa Ruyter – Peter Sandbichler
Kunstforum Montafon, Schruns
Bis 18.1.2014
Di–Sa 16–18, Do 16–20
5.1., 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Kurator Roland Haas
8.1., 14 –16.30 Uhr: „kunstKINDERkunst“ - Workshop für Kinder mit Helene und Franz Rüdisser
www.kfm.at