Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 16. Jun 2016 · Ausstellung

In zeitlosen Welten unterwegs - 
Arbeiten zum Thema Evolution von Rafet Jonuzi im Bernecker Kulturrefugium „Le Schnard“

In Zeichnungen unterschiedlichen Formats thematisiert Rafet Jonuzi das Universum: Den Urknall als noch ungeformten Zustand, die flussdiagrammähnliche Ausdehnung und letztlich die Verbindung der nicht-dinglichen mit der dinglichen Welt in Bezug auf unser Hier und Jetzt. In mehreren Schichten aufgebaut, entfalten die mit Feder, Tusche und Farbe in sisyphusartiger Akribie geschaffenen Werke eine ganz persönliche Sicht des Künstlers auf die Erstehung der Ordnung aus dem Chaos.

Der aus dem Kosovo stammende und seit dem Jahr 2000 in Bregenz lebende und arbeitende Rafet Jonuzi hatte ursprünglich gar nicht vor Künstler zu werden. Es war sein Umfeld, dem sein Zeichentalent aufgefallen ist, das ihn praktisch zum Besuch der Akademie der Künste Prishtine (Kosovo) gedrängt und somit seine Laufbahn mitbestimmt hat. Und dass Jonuzi sein Handwerk versteht, kann man derzeit im Kulturrefugium „Le Schnard“ in Berneck, das gleich über der Grenze von Lustenau zur Schweiz liegt, nachvollziehen. Bei dieser neuen Einrichtung handelt es sich um eine adaptierte alte Werkstatt eines ehemaligen Hufschmiedes. Ein unerhört atmosphärischer Raum, in dem noch der alte Schmiedeofen und viele andere Relikte seiner früheren Bestimmung zu bestaunen sind. Neben Kunstausstellungen werden hier auch Lesungen und Konzerte angeboten. Der sonderbare Name „Le Schnard“ leitet sich irgendwie aus einer Klitterung des Rheintaler Mundartspruches „Spinnsch n'Art“ ab. Jonuzi fühlte sich von diesem Raum sofort berüht. Es seien zunächst die vielen kleinen Dinge gewesen, die seine Aufmerksamkeit erregt hätten, sagt er. Er stellte sich vor, wie die Gegenstände und seine Zeichnungen miteinander harmonierten. „Es ist wie bei einem Spiegelbild“, betont er gegenüber KULTUR.

Parallelen zum persönlichen Leben

In dieser alten Schmiede zeigt Jonuzi einen Querschnitt seiner Zeichnungszyklen, in denen er sich mit der Evolution und der Entwicklung des Universums aus dem Urknall heraus beschäftigt. Parallelen zu seinem persönlichen Leben drängen sich dabei auf, wenn man etwa den Kosovo-Krieg als „Urknall“ annehmen würde. In seinen „Expansions“-Blättern zeichnet er mit immens filigranen und aufwändigen Strichen und Linien per Tusche und Feder die mögliche wolkenartige Ausdehnung des Weltalls nach dem Big Bang nach. In gewissem Sinne erscheinen diese Werke wie horizontal gelegte, verdichtete Bäumchendiagramme.

Bei den neueren, teils großformatigen Zeichnungen wirft er den Blick direkt ins All. Er lässt Tusche in diversen Farben auf Papier spritzen. Unzählige Punkte und Flecken markieren die Gestirne. Die verschiedenen Farben stehen für unterschiedliche Entfernungen. Das Bild eines farbigen Sternennebels, der in dem Koordinatensystem, das der Künstler dem Papier eingeschrieben hat, schwebt, ersteht.

Organische und dingliche Welt verschmelzen

Zentraler Blickfang ist eine vier Meter lange und 1,5 Meter hohe Zeichnung, die Jonuzi installativ hinter einer Werkbank präsentiert. Bildträger ist hier Fotopapier. Den Hintergrund bilden wieder Sterne, aber diesmal untersetzt mit unzähligen insektenartigen Tieren. Auf den Bildträger aufkaschiert sind Frauen- und Affenfotografien, die Alexander Beyer gemacht hat. Die Frau ist an  Schläuche gekoppelt, versinnbildlichend, dass die kosmische und organische Welt zusehends mit der dinglichen und technischen Welt verschmilzt. Dazu passt auch gut die Werkbank, auf der etwa ein halb zerlegtes, uraltes Tonband, Werkzeug wie Bohrer, Feilen oder Schraubenzieher oder eine alte Gitarre zu sehen sind. Zeichnung und Werkbank erscheinen wie eine geschlossene Einheit.

 

Rafet Jonuzi: In anfangs- und endloser Zeit
Le Schnard, Berneck
Bis 2. Juli 2016
www.leschnard.com