Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Karlheinz Pichler · 11. Sep 2016 · Ausstellung

„Mitten durchs Herz“ - hartes Material, Referenzen und Reminiszenzen von Gottfried Bechtold im Kunstraum Dornbirn

Gottfried „Göpf“ Bechtold betont immer wieder, dass er der Welt keine neuen Dinge hinzufügen will. Es gibt genug Vorhandenes, aus dem er für ihn passende Stücke auswählen, verändern und neu kontextualisieren kann. Seien dies etwa Astgabeln, die er für seine „Ready-Maids“ verwendet, oder Fahrzeuge, die er beispielsweise für seine Porsche-Skulpturen einsetzt, oder auch reine formale Vorlagen. Selbst die von ihm geschaffenen Kunstwerke werden immer wieder recycelt und neu adaptiert. Auch bei seiner eigens für den Kunstraum Dornbirn geschaffenen skulpturalen Installation „Mitten durchs Herz“ spielt die Fremd- und Selbstreferenzialität eine tragende Rolle.

Im Zentrum der Arbeit in der ehemaligen Montagehalle, die vor allem von ihrer Monumentalität lebt, steht eine Pietà aus weißem Marmor. Dabei handelt es sich um eine Reminiszenz an ein Werk seines Grossonkels Albert Bechtold, das er de facto kopiert hat.
Das Besondere an dieser Pietà ist, dass Maria und der vom Kreuz abgenommene Jesus stehend gezeigt werden, was kunsthistorisch gesehen eine Seltenheit darstellt. „Göpf“ hat die Figuren derart stark reduziert, dass sie einen fast reliefartigen Charakter annehmen. Solcherart erinnern sie von der Machart her an Standbilder, wie man sie auch auf Friedhöfen sieht. Auf die Frage, ob man die Pietà als eine Art „Back to the Roots“ in Bezug auf seine Steinmetzlehre bezeichnen könne, kontert er, dass das Handwerkliche in der Kunst für ihn eine große Bedeutung habe.

Die Pieàa jedenfalls ruht auf einem mächtigen, 13,2 Tonnen schweren Sockel aus sardischem Granit. Mit den groben Behauungs- und gut sichtbaren Bohrspuren könnte dieser Sockel durchaus für sich allein als Steinskulptur Bestand haben. Neben dem Marmor und dem Granit ergänzt ein schwerer Stahlträger, der die Herzen von Maria und Jesus durchbohrt, die von Bechtold ausgewählte Materialtrinität.
Der Künstler hat diesem Eisending, das mit einer Länge von 16 Metern fast die gesamte Breite der ehemaligen Montagehalle einnimmt, den Namen „Schiene Flatz“ gegeben, benannt nach dem Statiker, der die ganzen Belastbarkeitsberechnungen angestellt hat. Die statischen Kalkulationen waren sicher eine enorme Herausforderung. Und es hat wohl keine andere Möglichkeit gegeben, die horizontal den Raum vermessende Schiene anders zu fixieren, als durch eine vertikale Stütze aus demselben Material, die in den Granitsockel getrieben wurde. Dennoch wirkt diese vertikale Stütze, die sich unmittelbar hinter der Pietà befindet, für den Betrachter störend und verleiht der Figur etwas Krückenhaftes.

An der Grenze zum Kitsch

Die Formation, mit der „Göpf“ die Montagehalle besetzt, bietet logischerweise ein breites Feld an Assoziations- und Interpretationsmöglichkeiten. So könnte man etwa aus der Dreiheit des Materials eine Anspielung auf die Dreifaltigkeit herauslesen. Dabei erteilt der Künstler aber sämtlichen von Ideologien getragenen Religionen eine klare Absage. Die Spiritualität jedoch an und für sich sei eine wichtige Sache, sagt Bechtold. Auch für den Kapitalisten, denn der brauche ja auch einen Glauben, nämlich an den Mammon, das Geld.

Bechtold erzählt, dass er sich als kleiner Junge an der weißen Marmorpietà, die bei ihnen zuhause stand, stets – und oft mit schlechtem Gewissen - vorbeigedrückt habe. So könnte dieser Rückgriff auch eine Abrechnung sein, etwa mit der eigenen Vergangenheit oder mit der gesamten katholischen Kirche, ganz im Sinne einer Thomas Bernhardschen „Auslöschung“. Jedenfalls erscheint die geballte Kraft, mit der härtestes Material auf Immaterielles im Sinne der Religion trifft, durchaus als brachial. Und es ist gerade diese Brachialität des Materials, die verhindert, dass die Industriehalle sakral aufgeladen wird. Und mehr noch, nähert sich die mit solch übertriebener Gewalt aufgespiesste Figur ein wenig der Grenze des Kitsches. Oder steckt doch etwas anderes dahinter? Die ironische Frage, ob er, der Künstler, im Alter fromm werde, macht Bechtold nicht verlegen. Es habe ja schon einmal ein Papst gesagt, dass die Hure im Alter heilig werde, gibt er zur Antwort.

Gottfried Bechtold wird jedenfalls im nächsten Jahr 70 Jahre alt, und noch im Oktober dieses Jahres startet im Lentos Kunstmuseum in Linz eine große Retrospektive zu seinem Schaffen.

Gottfried Bechtold: „Mitten durchs Herz“
Kunstraum Dornbirn
bis 4. Dezember 2016
Mo-So 10-18
www.kunstraumdornbirn.at