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Peter Niedermair · 24. Apr 2017 · Ausstellung

Gerd Menia, Money 4 a New Society - Ausstellung im Drehpunkt – Studio für ganzheitliche Bewegung - Vernissagerede von Peter Niedermair

Gerd Menias hier im Drehpunkt ausgestellte künstlerische Arbeiten sind an sich Ikonen aus dem globalen Bildverkehr, bzw. sie stammen aus der Ikonographie der unter sich vernetzten Bilderwelten. Der ausstellende Künstler, ein großartiger Geschichten-Erzähler, arbeitet vor dem Hintergrund einer Position von Gertrud Stein, die die Mutter der Verlorenen Generation, The Lost Generation jener amerikanischen SchriftstellerInnen war, die in den 1920er Jahren in Paris lebten. „Was Du in der Kunst tust, tu es mit Anmut!“ Diese Haltung, diesen Duktus erlebe ich bei Gerd Menia, bzw. seiner Kunst, die auf drei Orte auf diesem Geschoß verteilt ist. Hier die Banknoten, im Korridor die „Magic Plants“ und draußen in einem weiteren Seminarraum, die Ikonen.

Die hier bis zum 2. Juni 2017 bei ganztägigen Öffnungszeiten von Montag bis Freitag ausgestellten Werke des 1961 in Hard geborenen Künstlers, der ebendort auch lebt und arbeitet, in einem geräumigen, nord- nordwestlich belichteten Atelier, ähnlich wie hier im Drehpunkt in diesen alten Shedhallen, die industriegeschichtlich-architektonisch eine Dachform bilden, die vor allem bei Bauten mit großen Grundflächen wie eben diese Fabrikhalle konstruiert wurde. Dabei sind mehrere kleine pult- oder satteldachartigen Dachaufbauten hintereinander gereiht. Die Industriearchitekturen der großen Player, die in den 1820er Jahren zwischen Kennelbach und Bludenz begonnen hatten, ihre Textilimperien aufzusetzen, hatten ihre Impulse u.a. auch von schottischen Industriellen. Wichtig auf dieser historischen Schiene für die Arbeit des Künstlers ist der Lichteinfall von Norden. Die letzte Ikone, die hinter Plexiglas, setzt er im hinteren Raum gegen das Nordfenster.

Ein referentielles System


Der Titel der Ausstellung selbst „Money 4 a New Society“ ist eine Referenz in mehrere Richtungen. Er ist einmal ableitbar aus dem Titel eines Albums, das John Cale, ein britischer Artrock-Musiker mit klassischer Ausbildung in Bratsche und Piano 1982 herausgab. Er arbeitete in New York mit John Cage und La Monte Young, bevor er mit Lou Reed 1965 die später von Andy Warhol protegierte Band The Velvet Underground gründete, stieg aber bereits 1968 aus und widmete sich erfolgreich einer Solokarriere. Mit 40 schrieb er „Music for a New Society“, veröffentlicht im August 1982, dem nur die Kritiker huldigten und jubelten. Das Gros der Fans verweigerte sich diesem Monument des Jammers, mit dem sich Cale à la Münchhausen aus dem Sumpf von Drogenmissbrauch und Depressionen herausziehen wollte. Ein Anlass dafür, die alten Aufnahmen wieder zu sichten, war der Tod von Lou Reed im Oktober 2013. Sein „langjähriger Lieblingsfeind“, mit dem er in der gemeinsamen Band The Velvet Underground viele Sträuße gefochten hat, inspirierte ihn offensichtlich über den Tod hinaus.

„Music for a New Society“


„If You Were Still Around" ist ein Song des walisischen Musikers und Komponisten John Cale, der den Song gemeinsam mit dem Schriftsteller und Dramatiker Sam Shepard verfasste. Ursprünglich wurde der Song in das Cale Album von 1982 Music for a New Society aufgenommen. Am 27. Okt. 2014, ein Jahr nach dem Tod seines Velvet Underground Bandkollegen Lou Reed, veröffentlichte Cale eine neue Version dieses Songs. Für diese wurde auch ein Video von Abigail Portner produziert. Am Beginn des Videos liegt Cale auf dem Boden und sieht Fotos von Reed und anderen mit Velvet Underground und der Factory verbundenen Personen, die nicht mehr leben: Sterling Morrison, Nico, Andy Warhol und Edie Sedgwick. Diese Hintergrundstory für die Kunst des Gerd Mania ist insofern bedeutend, weil Cale zeitgeschichtlich sich mit jenen Ideen der Frankfurter Schule, von Horkheimer und Adorno und anderen, auseinandersetzte, die an der New School for Social Research auf der Fifth Avenue forschten und lehrten. Die Nazis hatten diese aus Frankfurt verjagt. Walter Benjamin schaffte den Gang nach Amerika leider nicht. Seine Einreise in die USA scheiterte an Einreisepapieren, diese wiederum wurden wegen zu geringer Wertschätzung und Beziehungslosigkeit u.a. von Th. W. Adorno, nicht auf Weg gebracht. Allerletztens scheiterte er an der Guardia Civil in den ins Mittelmeer auslaufenden Pyrenäen zwischen Cerbère und dem katalanischen Port Bou. Die europäische Welt in diesen Jahren war mit Brettern vor dem Kopf beschlagen, die Frage der europäischen Faschismen entschied sich im Spanischen Bürgerkrieg. John Cale spielt am 3. Sept. 2017 im Zürcher Kaufleuten in der Pelikanstraße.

Die „Magic Plants“


Dieser John Cale wäre nicht zu verwechseln mit JJ Cale, der für seine kurzen, sparsam instrumentierten Songs bekannt ist, u.a. „After Midnight“ oder „Cocaine“, womit wir thematisch bei den Magic Plants sind, deren Bilder der Künstler draußen am Korridor gehängt hat. Ob Sie als Betrachter diese geheimnisvollen Pflanzen in ihrem Narrativ als Cocaine huldigend lesen oder als Anti-Cocaine Bildballade wahrnehmen, ist offen. Womit wir beim Geld wären, bzw. bei den hier in diesem Raum ausgestellten Banknoten, die Gerd Menia, Originale oder Kopien, als Ausgangsmaterial für seine künstlerischen Verfremdungsinterventionen verwendet.

Die Banknoten


Man kann auf diesen Banknoten Gerd Menias auch bank-on-notes lesen, die sich wie ein Almanach auffalten und die Paritäten des Geldes und des Geldwesens in seinen gesellschaftlichen, kulturellen und historischen Dimensionen deutlich machen. Nur eine einzige Banknote hat es zu einem demokratischen Format gebracht, dem Quadrat. Auf dieser inszeniert der Künstler das Haupt der Medusa. Alles klar! Die Ungerechtigkeiten in der Geldmanipulation spiegeln sich auch in den Bildkommentaren durch die scheinbar lasziv drapierten pornographisierten Akte von Frauenfiguren. Bei genauerem Betrachten „entpuppen“ sie sich jedoch als in sich zentrierte Figuren, die nicht den Blick des Betrachters suchen, sie spiegeln die voyeuristische Dimension zurück. Nicht um Money Makes the World Go Round oder Money for Nothing geht es hier, sondern um die Ironisierung der scheinbaren Allmächtigkeit und Omnipotenz des Geldes. Auch wenn in der Wertetage Milliarden Nullen angehängt sind. Stinkt Geld oder stinkt es nicht? Die Freudsche Psychoanalyse ist schon in ihren Anfängen auf die mit Geld zusammenhängenden Komplexe aufmerksam geworden. Wohlhabende Patienten, die sich weigerten, Geld für Wäsche oder Haareschneiden auszugeben, von Bärten sagen wir jetzt gar nichts, pathologische Sparer und Verschwender bevölkerten die Praxis der Analytiker, und im Anschluss an Freuds Pionierarbeit von 1908 – „Charakter und Analerotik“ – entstand eine Fülle psychoanalytischer Aufsätze, die sich mit den psychischen Ursachen der Einstellungen zu Geld und Besitz beschäftigten.

Komplementärwährungen


„Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?“ Was Johann Nestroy als scherzhafte Frage formulierte, liegt laut Bernard A. Lietaer in der Natur des Geldes: es schöpft seinen Wert aus der Knappheit. Diese Tatsache und die Erkenntnis, dass mit Geld nicht alles käuflich ist, war schon seit jeher Motivation, andere Möglichkeiten zum Austausch von Waren und Dienstleistungen zu suchen. Das eigentliche Ziel unserer wirtschaftlichen Tätigkeiten, die Steigerung unserer Lebensqualität, ist nicht zwingend an Geldbesitz gebunden. Zahlreiche Beispiele, von lokalen Notwährungen bis hin zu regionalen Tauschkreisen, zeigen das. Lietaer kennt als internationaler Finanzexperte und ehemals leitender Chef der belgischen Nationalbank die Eigenheiten des Geldsystems sehr genau und weiß diese auch anschaulich zu vermitteln. Er stellt faszinierende Möglichkeiten vor, wie wir auf einfache Weise dort eingreifen können, wo herkömmliches Geld zu kurz greift. Zum Beispiel bieten so genannte Komplementärwährungen interessante Lösungen zur Schaffung von Arbeit oder Förderung von Gemeinschaft.
Bernard A. Lietaer, war 25 Jahre lang in verschiedenen Positionen im nationalen und internationalen Finanzwesen tätig, 1990 von der Business Week zum Welt-Top-Währungshändler ernannt, hielt Professuren für archetypische Psychologie an der Sonoma State University und für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Berkeley, Autor von „Das Geld der Zukunft“ und „Mysterium Geld“.

2001 referierte Lietaer auf Einladung des Talente-Tauschkreises Vorarlberg in Arbogast. Mit Stephen Belgin schrieb Lietaer das Buch New Money for a New Society. In diesem Buch beschreiben die beiden Autoren eine blühende Zeit von über 1600 Jahren bis 30 vor unserer Zeitrechnung. Es gab im Alten Ägypten genügend Nahrung und Bildung war ein hochgeschätztes Allgemeingut in allen gesellschaftlichen Schichten. Es gab ein duales Währungssystem mit Gold und Silber, die für den Fernhandel bestimmt waren, neben einer Währung, die mit der Lagerung von Getreide einherging. Die Bauern brachten zehn Säcke Getreide ins Lagerhaus und bekamen eine Bestätigung, ein Ostraka, mit Datum. Wenn sie nach einem Jahr zurückkamen, um ihr Getreide abzuholen, bekamen sie neun Säcke. Der zehnte wurde für die Lagerung abgezwackt und zum Schutz vor Ungeziefer. Die Ägypter wollten demnach ihre Währung nicht ansparen, sondern sie ausgeben. Steuern waren in Ostraka zahlbar.

Die Ikonen und die Göttin


Christliche Ikonografie eignet sich ein Bild an, das in der ägyptischen Frömmigkeit sehr beliebt war: die Mutter mit dem Kind auf den Knien. Parallel abstrahiert der junge Islam das alles, nutzt die überlieferten lebendigen Farben und Motive von Pflanzen und Tieren und entwickelt aus ihnen das Design der arabesken Ikonen. Unser Wirtschaftssystem im Mittelalter (10. bis etwa 13. Jahrhundert) kannte keine Zinsen sondern die Hortungsgebühr. Dieses Wirtschaftssystem koppelt sich mit dem „Archetypus der großzügigen Mutter“. Interessanterweise erlangte gerade in dieser Zeit ein religiöses Symbol eine große Bedeutung: Die berühmte schwarze Madonna. Es gab im MA Hunderte von diesen Madonnen, die ursprünglich Statuen der Göttin Isis mit ihrem Sohn Horus im Schoß waren. Die schwarzen Madonnen waren direkte Nachfolgerinnen der Großen Mutter in einer ihrer ältesten Formen. Sie symbolisierte Geburt, Fruchtbarkeit, das Grundgefühl des Reichtums und des Überflusses, der Geborgenheit und der Gewissheit, versorgt zu sein. Sie unterscheidet sich damit grundlegend von der durch Knappheit, Verlorenheit und Angst geprägten Stimmung des patriachalen Kapitalismus. In dieser Zeitspanne entstanden viele interessante und noch heute wichtige Kulturbauten in Europa. Lietaer: „Es gibt eine direkte archetypische Verbindung zwischen zwei Kulturen, die beide ein Geldsystem mit Nutzungsgebühren verwendeten und damit einen ungewöhnlichen Wohlstand für alle Menschen erzeugten: das alte Ägypten und das Europa des 10. bis 13. Jahrhunderts. Die Verwendung dieses Geldsystems korrespondiert genau mit der Verehrung des gleichen Archetyps.“

Geld ist nicht gleich Geld

Seit etwa 25 Jahren entwickeln sich weltweit lokale Wirtschaftssysteme, die ihr jeweils eigenes Tauschmittel verwenden. Dabei handelt es sich um komplementäre Währungen. Eine solche wird seit 16 Jahren auch vom Talente–Tauschkreis Vorarlberg verwendet. Der Talente-Tauschkreis Vorarlberg ist ein Verein für organisierte Nachbarschaftshilfe. Dort werden Dienstleistungen und Waren ohne Geld getauscht. Den Tauschkreis kann man sich wie einen großen Korb vorstellen. In diesen legt man seine Fähigkeiten und Sachen, die man anbieten möchte. Wenn man später eine bestimmte Fähigkeit oder Sache sucht, schaut man einfach im Korb nach, wer das Gesuchte anbietet. Somit kann man zeitversetzt eine beliebige Dienstleistung oder Ware von jedem beliebigen Mitglied tauschen. Das Talent ist das Tauschmittel. Es existiert nur auf den persönlichen Buchungskonten in der Talente-Buchung und stellt somit keine öffentliche Währung dar. Das Tauschen fördert so regionale Kontakte und Austausch in nächster Nähe. Der Tauschkreis bietet jedem die Möglichkeit in seinem Umfeld tätig zu werden und Kontakte zu knüpfen.

Ikonen und Synopsis

Ikone, von griechisch eikon, „Bild“, ist die Bezeichnung für meist gemalte, mit Goldhintergrund versehene Kultbilder der Ostkirche. Zu den ältesten erhaltenen Beispielen zählen die Ikonen aus dem Katharinenkloster auf dem Sinai. Sie werden in das 6. Jh. datiert und sind in später graeco-ägyptischer Manier gemalt. Mit der Technik der frontalen Wiedergabe, den großen Augen und der stark verjüngten Kinnpartie ähneln diese frühen Objekte den in Enkaustik gefertigten ägyptischen Mumienporträts. Die dargestellten Heiligen werden als Fürsprecher, als Patrone angesehen, als Vermittler zwischen dem allgewaltigen dreieinigen Gott und den Menschen. Man versicherte sich ihrer Präsenz durch ihre Wiedergabe auf den Ikonen und verehrte sie, indem man für die Erhaltung des Gotteshauses Geld spendete, vor den Ikonen Räucheropfer darbrachte, Kerzen anzündete und die Ikonen mit Blumen schmückte.

Für Gerd Menia sind die Ikonen Reflexionszonen seiner Kunst, die mit dem eingangs erwähnten anmutigen Umgang einhergehen. Er holt die figürlich umrisshaften Ikonenformen auf einen verschieden formatigen Holzplattenhintergrund, den er u.a. mit Zeitungspapier beklebt und mit Bitumenfarbe grundiert. Die Ziselierungen und porträthaften Innenleben der Umrisse lässt der Künstler bewusst offen und im Unbedeutenden. Es geht ihm um die äußeren Konturen, die Neigungen der Köpfe, die alle, wie wir gesehen haben, aus einem historischen Entwicklungsgang herleitbar sind. Doch die Darstellungen der ikonographischen Figuren folgen einer starken kultur- und rezeptionsästhetischen Entwicklung, die u.a. zeigt, wie nahe zueinander und parallel aufeinander bezogen die transzendenten Inszenierungen standen. Insgesamt erweisen sich die drei auf den ersten Blick vielleicht lose nur verfügbaren Teile der Ausstellung in einem komplexen System kultureller und historischer Dynamiken als ziemlich ineinander verwoben. Geld bräuchte Haltung. Ikonen bräuchten Neigung. Kunst bräuchte Begegnung.

 

Ausstellung Gerd Menia: Money 4 A New Society, Icons
bis 2. Juni 2017
Drehpunkt, Studio für ganzheitliche Bewegung.
Mariahilfstr. 29, schoeller2welten. Spinnerei Süd, Bregenz
Mo – Fr 8-12 und 14-17 Uhr