Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 25. Okt 2015 · Ausstellung

Aktuelle Befindlichkeiten mit sinnlichen Mitteln hinterfragen - Der neue KUB-Chef legt sein erstes Jahresprogramm vor

Die im November anlaufende Ausstellung zum Schaffen des österreichischen Künstlers Heimo Zobernig fällt noch in die Planungsägide des mittlerweile ans Museum Ludwig nach Köln übersiedelten Yilmaz Dziewior. Danach beginnt die Programmverantwortung von Thomas D. Trummer, der im Mai dieses Jahres die Dziewior-Nachfolge als Direktor des Kunsthauses Bregenz (KUB) angetreten hat. Dieser Tage präsentierte Trummer nun seine Pläne für 2016.

Für den 1967 im steirischen Bruck an der Mur geborenen Trummer ist das KUB Funkturm und Weltempfänger zugleich, wie er bei seinem Amtsantritt im Mai betont hatte. In seinem ersten Programmjahr setzt der neue KUB-Chef auf große Namen im Haupthaus und auf junge Kunst bei den Billboards und den Außenprojekten. Kunst soll dabei aus dem Ort heraus entstehen. Denn „wenn Kunst nur angeliefert, aufgehängt und wieder abgeholt wird, bleibt sie bezugslos“, sagt Trummer. Geschichtlichkeiten sowie gegenwartsrelevante Aspekte und die Thematisierung des Gebäudes selbst sollen folglich die inhaltlichen Säulen des Programms darstellen. Es gehe vor allem um intellektuelle Befindlichkeitsstörungen, das Hinterfragen von Urteilen und Werten mit sinnlichen Mitteln, betont der Direktor. Im Rahmen der vier monografischen Ausstellungen im Zumthor-Bau werden sich die dazu geladenen internationalen Kunstschaffenden Susan Philipsz, Theaster Gates, Wael Shawky und Lawrence Weiner laut Trummer mit der Flüchtlingsbewegung, den Reibeflächen von Kulturen und Religionen, der Vormachtstellung des digital gesteuerten Kapitals und den Bruchlinien verdrängter Geschichte auseinandersetzen.

KUB als Resonanzkörper für Verlust und Geschichte


Eröffnet wird das neue Ausstellungsjahr am 30. Jänner 2016 mit der Schottin Susan Philipsz, die vor allem mit der menschlichen Stimme, Musik, Räumen, Unorten und der Melancholie als einem bestimmenden Daseinsgefühl operiert. Bekannt geworden ist sie mit a cappella gesungenen Liedern. Mit einem Liebeslied nach einer Ballade aus dem 16. Jahrhundert, das sie in drei Versionen gesungen hat, hat sie übrigens 2010 den renommierten britischen Turner Prize gewonnen. Philipsz greift für ihre Soundinstallation im KUB das Nebelmotiv auf, das für den See von großer Relevanz ist und auch schon für Peter Zumthor in seiner Gebäudeplanung wichtig war. Die Schottin wartet mit Tonspuren aus Hanns Eislers Filmmusik zu Alain Resnais' Film "Night and Fog" über die Deportationen nach Auschwitz und Majdanek auf und lässt das KUB "zum Resonanzkörper für Verlust, Verbrechen und Geschichte" werden, wie es Trummer formuliert. Eine weitere Soundinstallation ist in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Hohenems auf dem Jüdischen Friedhof angedacht.

Künstler treffen Flüchtlinge


Als einer der aktuell größten Shooting-Star wird der US-amerikanische Künstler Theaster Gates derzeit in der Kunstwelt herumgereicht. Er setzt sich vor allem mit sozialen und urbanen Fragen auseinander. International bekannt wurde der aus Chicago stammende Künstler mit seinem „Dorchester Project“, für das er brachliegende, verfallene Gebäude erwirbt und sie in Kulturinstitutionen verwandelt. Er ist auch Initiator des „Black Artist Retreats“, einem jährlichen Zusammentreffen von afro-amerikanischen Künstlern in Chicago. Für seine Bregenzer Ausstellung vom 23. April bis 26. Juni schwebe ihm eine Variante seines Black Artist Retreats vor, unter Umständen unter Berücksichtigung hier lebender Flüchtlinge, so Gates.

Sommerausstellung mit Wael Shawky

Die Sommerausstellung im KUB (16. Juli bis 23. Oktober) ist dann für den ägyptischen Künstler Wael Shawky reserviert. Der in Alexandria lebende und arbeitende Shawky geriet groß ins öffentliche Schaufenster, als er auf der Istanbul Biennale 2011 seinen Film „Cabaret Crusades“ präsentierte. Mit diesem Streifen setzte er ein von ihm inszeniertes Marionettentheater ins Bild, das auf der Grundlage eines Buches des libanesisch-französischen Literaten Amin Maalouf die orientalische Sicht auf die Kreuzzüge zeigt. Theatralik und üppige Kostümierung spielen in dieser Sommerausstellung eine große Rolle, die Partnerschaft zwischen Bregenz und Akkon, einer alten Hafenstadt im Nordbezirk Israels in Galiläa an der Küste des östlichen Mittelmeers liefern aktuelle Bezüge.

Der letzte große Konzeptkünstler


Mit der vierten Einzelausstellung im Herbst 2016 bringt Trummer mit Lawrence Weiner einen richtigen Kapazunder der Kunstwelt in die Bodenseestadt. Weiner, der 1942 in der berüchtigten New Yorker Bronx das Licht der Welt erblickte, gilt als einer der letzten lebenden Meister der Konzeptkunst und als eine Kultfigur im gegenwärtigen Kunstleben. Weiners Themen sind Sprache und Schrift, die er räumlich und skulptural auffasst. Es geht um Lektüre und Dekodierung, um Lesarten und Assoziationen, nicht zuletzt um die Frage nach dem Werk selbst. Für seine KUB-Personale, für die er auch die Außenfassade einbeziehen will, verspricht er große Überraschungen.

Keine KUB-Arena mehr


Was es unter Trummer ab dem neuen Jahr nicht mehr geben wird, ist die seinerzeit von Yilmaz Dziewior ins Leben gerufene KUB-Arena, die im Eingangsfoyer des KUB als eine Art Lab für experimentelle Kunst funktionierte. Trummer will das Haus künftig als Ganzes für die monografischen Formate nutzen und die Arena durch Projekte ersetzen, die vor allem im Außenbereich des Zumthor-Baus sowie im benachbarten Postgebäude, in dem sich ja eine Dependance des KUB befindet, realisiert werden. Kuratiert werden sollen die KUB-Projekte von der bisherigen Arena-Leiterein Eva Birkenstock sowie von Trummer himself. Auch bei diesen Projekten soll das Experiment im Vordergrund stehen. Die Billboards entlang der vierspurigen Stadtautobahn werden zwar beibehalten, dienen aber nicht mehr als Aushängeschilder für die laufenden Ausstellungen im KUB, sondern sollen künftig von KünstlerInnen bespielt werden, die nach 1989 geboren wurden. Die Tafeln sollen gleichsam zu künstlerischen Schnittstellen von „Digital Natives“ werden. Das erste Setting wird von der Wiener Künstlerin Anna-Sophie Berger kommen, auf sie folgt dann das kanadische Kollektiv "Feminist Land Art Retreat".

Florierendes Kataloggeschäft


Laut Werner Döring, dem Geschäftsführer der Vorarlberger Kulturhäuser, wird das KUB 2016 über dasselbe Budget verfügen wie in diesem Jahr. Über die im laufenden Jahr erreichten Zahlen ist er durchwegs zufrieden. Bis zum Jahresende könnte die Marke von 50.000 Besuchern geknackt werden und die Zahl des letzten Jahres, als 48.000 Besucher registriert wurden, leicht übertroffen werden. Damit befinde man sich im Durchschnitt der Besucherzahlen der vergangenen drei Jahre, so Döring. Auf der Einnahmenseite seien Eigenerlöse von rund einer Million Euro aus den Eintritten und den Buchverkäufen zu Buche gestanden. Letztere seien überraschend gut verlaufen, so der Kulturhäuser-Geschäftsführer. Landesseitig seien dann noch 2,55 Millionen Euro an Subventionen hinzugekommen.