Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 25. Jun 2017 · Ausstellung

Entblättert durch den Nadelwald – Situativ-schräge Nacktheiten von Nikolaus Walter im milk_ressort Göfis

Der Franzose Henri Cartier-Bresson, der zu den größten Fotografen des 20. Jahrhunderts zählt, meinte einmal sinngemäß, dass ein Foto dann gut sei, wenn man es länger als eine Sekunde anschaue. Nimmt man dieses Statement als Maßstab für die Arbeiten des Feldkircher Fotografen Nikolaus Walter, so müsste man permant den Hut vor ihm ziehen. Denn die alltäglichen Absurditäten, situativen Komiken und kleinen menschlichen Tragödien und Dramen, die sich in seinen Schwarz-Weiß-Fotografien abspielen, lassen jeden Betrachter innehalten und verweilen. In seiner aktuellen Ausstellung „nackt“ im Göfner milk_ressort, sind es mehr oder weniger zufällige oder beabsichtigte Nacktheiten, die Walter in den Jahrzehnten seines Schaffens vor die Linse geraten sind und ihre jeweils ganz speziellen (Bild)Geschichten erzählen.

„Nackt“ bedeutet im Falle von Nikolaus Walter alles andere denn kalkulierten Voyeurismus. Er hält sich nicht mit platter Erotik auf, sondern auch bei seinen „Nackten“ geht es wie bei den meisten seiner Fotografien um typisch Menschliches. Um Verletzlichkeiten, um Scham, um Offenheit, um Zufälligkeiten, um Geschichten, die das Leben so schreibt. Dabei werden auch bei dieser thematisch zusammengestellten Serie seine unterschiedlichen Vorgangsweisen evident. So ist er etwa, wie übrigens auch der oben erwähnte Cartier-Bresson, ein Paradevertreter des „entscheidenden Moments“. Wie Christiano Ronaldo mit seinem unübertroffenen Riecher immer zur rechten Zeit an der richtigen Stelle ist, wenn es ums Tore schießen geht, so hat auch Walter ein untrügliches Gespür für die „entscheidenden“ Augenblicke des Fotoauslösens, wie etwa die Aufnahmen von der Loveparade, die vollbusigen Gartenzwerge an der ungarischen Grenze oder das Paar, das „entblättert“ durch den Göfner Nadelwald wandert, belegen.

 

Auf gleicher Augenhöhe


Wenn sich aber die Zeit und die Gelegenheit bietet, so setzt sich der Feldkircher, der gegenwärtig auch in der großen Ausstellung „Österreichische Fotografie 1970 bis 2000“ in der Wiener Albertina vertreten ist, sehr eingehend mit den Menschen und ihren Lebenslagen auseinander, bevor er den Auslöser betätigt. Herausragende Beispiele solcher Langzeitstudien wären etwa seine über Jahrzehnte gehende Auseinandersetzung mit dem Großen Walsertal oder sein sehr persönliches fotografisches Porträt des „Toronto Cowboys“, das 1977 erschienen ist und für das er seinerzeit auch den renommierten Kodak Fotopreis erhielt. Im milk_ressort sind es etwa Aufnahmen vom Aktmalen oder die Strandserien, die auf Einfühlung und Annäherung verweisen, auf das Bemühen, auf gleicher Augenhöhe das Vertrauen der Menschen zu erlangen.

 

Hochalpine Badefreuden


Dass Walter aber auch augenzwinkernd zu Theatralik und Inszenierung neigt, um zutiefst Menschliches zu transportieren, dafür stehen etwa die beiden rennenden Gestalten in den typischen Krankenhaushemden, die hinten offen sind und entsprechende Einblicke gewähren. Bei dieser Fotografie handelte es sich um eine Auftragsarbeit für ein Plakativ-Motiv für den Krankenpfleger-Ball. Auch die Fotoserie „Bella trifft Isabella“ gehört in diese Kategorie. Die Aufnahmen einer nackten Blondine, die in einer alten Badewanne auf einer Alpe, umzingelt von Kühen, ein sozusagen hochalpines Bad nimmt, machte er für den Walserherbst 2014. Auch wenn diese Szenerien gestellt sind, könnten sie durchaus auch Realität sein. Denn bei Walters seismografischem Sinn für Alltagskomiken ist jederzeit alles möglich.

 

Nikolaus Walter: „nackt“
Milk_resort, Göfis
Bis 23. Juli
jeweils So 14-17 u.n. tel. Vereinbarung
www.milk-ressort.at