Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 12. Mai 2016 · Ausstellung

Ein flirrender Tunnel aus langen Videobändern – Die Besucher zeigen sich von der Zilvinas-Kempinas-Installation „Tube“ im Kunstraum Dornbirn begeistert

Nach Ansicht des 1969 in Plunge in Litauen geborenen und heute in New York lebenden und arbeitenden Künstlers Zilvinas Kempinas muss Kunst durch Einfachheit überzeugen. Dass es dazu nicht viel braucht, demonstriert er derzeit im Kunstraum Dornbirn mit seiner alle Sinne ansprechenden Installation „The Tube“.

Kempinas hat in der Montagehalle des Kunstraums mit simplen, langen Videobändern, die er vom einen zum anderen Ende des riesigen Raumes gespannt hat, einen begehbaren Tunnel geformt. Wer diesen röhrenartigen Schlauch durchschreitet, erlebt ein im Licht flirrendes Werk, hinter dem sich die Umgebung der Halle verändert abzeichnet. Der Schlauch selbst wird zum Raum im Raum und wirkt durch die Bänder besonders lang, ganz so, als ob man eine zentralperspektivische Zeichnung betritt.

Die Bänder werden bereits bei geringstem Lufthauch bewegt und vermitteln dadurch ständig neue Sinneseindrücke. Die Besucher, die durch den Tunnel gehen, werden selbst Teil des Licht- und Schattenspiels und damit zu Mitwirkenden der Installation. Nicht zuletzt diese gefühlte Teilhaberschaft, kombiniert mit den visuellen Wahrnehmungen, führt dazu, dass dieses Kunstwerk des Litauers vom Publikum derart gut angenommen wird, wie selten zuvor eine Arbeit im Kunstraum. „The Tube“ wurde erstmals auf der Biennale in Venedig 2009 präsentiert und seither selten gezeigt. Es ist das bislang spektakulärste Werk Kempinas', mit ihm ist er schlagartig bekannt geworden.

Billiges Alltagsmaterial


Generell sind abgewickelte Videobänder für Kempinas das wichtigste Arbeitsmaterial. Es kostet fast nichts, ist relativ leicht zu besorgen und wirkt für den Künstler „wie abstrakte Linien im
Raum“. Es bietet ihm die Möglichkeit, Architekturen, aber auch Openair-Räume linear zu vermessen. Und es lassen sich raffinierte Effekte damit erzielen. Da sie von der Seite kaum zu sehen sind, kann man das Material auch nahezu „verschwinden“ lassen. Und ein Nebendetail ist, dass die Bänder einst Datenträger für Bild und Ton waren und dadurch zusätzlich inhaltlich aufgeladen sind. Inhalte, die aber im neuen Zusammenhang obsolet werden, obwohl sie nach wie vor präsent sind.

Minimalistisch und poetisch


Die Arbeiten von Zilvinas Kempinas faszinieren durch ihre Leichtigkeit und Poesie. Sie
sind ebenso minimalistisch wie kinetisch. Er schafft mit einfachsten Mitteln komplexe und atmosphärische Raumsituationen von großer Schönheit, die Installationen spielen mit Luft und Leichtigkeit. Der Litauer setzt Videotapes auf ausgesprochen skulpturale Weise ein, indem er sie als lineares Basismaterial für seine raumgreifenden Installationen verwendet. Mit minimalsten Mitteln erzeugt er maximale Effekte.

Kempinas studierte am Staatlichen Kunstinstitut Litauens Malerei. Ende 1997 brach er nach New York auf, wo er von 1998 bis 2002 am Hunter College „combined media“ studierte. Als Calder-Preisträger verbrachte er sechs Monate in Calders Atelier in Saché, Frankreich, wo er dann 2009 auch „The Tube“ als Litauischen Beitrag für die Biennale in Venedig vorbereitete.


Zilvinas Kempinas: "The Tube"
Kunstraum Dornbirn
Bis 29. Mai 2016
Di-So 10-18
www.kunstraumdornbirn.at