Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 30. Apr 2014 · Ausstellung

Durch Zerknittern und Zerknäueln in Form gebracht – Esther Stocker im Kunstraum Dornbirn

Mit LKW-Planen, die mit schwarz-weißen Gitterstrukturen bemalt und zu knäuelartigen Objekten verformt wurden, lässt die Künstlerin Esther Stocker bei den Besuchern des Kunstraums Dornbirn derzeit „Zweifel an der Geraden“ aufkommen.

Die 1974 in Schlanders im Südtirol geborene Künstlerin Esther Stocker beschäftigt sich seit Jahren mit Rastersystemen in allen möglichen Ausprägungen, sowohl in der Fläche als auch im dreidimensionalen Raum. In einem Interview erklärte sie einmal, dass sie sich für Rasterstrukturen interessiere, weil es sich dabei um expansionsfähige Systeme handle. „Das heißt, man muss nicht die Frage nach dem Zentrum klären, da sich die Struktur einfach ausbreitet. Es handelt sich um eine Form, die sich nicht primär als geschlossenes, sondern eher als offenes System eignet. So gibt es gleichwertige Teile und eine gleichwertige Aufteilung. Ein Raster ist also in erster Linie ein antihierarchisches System.“ (Stocker in: Kunstforum, Band 192, 2006) Solche Systeme spielen sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Philosophie und im Alltag eine zentrale Rolle.

Minimale visuelle Grammatik


Die visuelle Grammatik von Stocker wird von minimalen Mitteln und präzisen formalen Äußerungen getragen. Stockers geistige „Vorläufer“ dafür sind sicher die frühen, minimalistischen Arbeiten der Künstlerin Joe Baer und der frühe Frank Stella. Auch das Quadrat von Kasimir Malewitsch wird von Stocker immer wieder zitiert. Auf den Planen-Knäueln in der ehemaligen Montagehalle in Dornbirn vielfach reproduziert und durch die Faltung gebrochen, geknickt und verschoben, kontrastieren die schwarzen und weißen Quadrate mit dem schmutzigen Braun und Grau der Wände und Böden des ehemaligen Industriegebäudes. Durch das Falten und Zerknittern wird die strenge formale Geometrie des Gemalten aufgehoben. Auch die scheinbar zufällige Platzierung der Objekte im Raum unterminiert die Ordnung. Die gerasterten Skulpturen erinnern an verwaiste Monolithe, die zufällig im Raum Stellung genommen haben, auch wenn drei davon zu einer Gruppe zusammengefasst wurden. Und es gibt auch organisch-visuelle Anknüpfungspunkte: Die Objekte erinnern an überdimensionales zerknülltes Papier oder an riesige Fußbälle, denen die „Seele“ entnommen wurde.

Aufweichung des Systems wird zum System


Die Südtiroliern arbeitet damit an den Grenzen zwischen Malerei, Raum und Objekt, die sie zugunsten veränderter Perspektiven stets aufs Neue verschiebt. Mittels minutiöser Eingriffe stellt die Künstlerin das gesamte starre System und auch die Wahrnehmungsgabe des Betrachters auf die Probe. Denn immer wieder weicht die Festigkeit, das Gestandene einer Fragilität und die Beständigkeit, der Flüchtigkeit. Die Aufweichung des System selber wird zum System.

 

Esther Stocker: Zweifel an der Geraden
Kunstraum Dornbirn
Bis 15.6.2014
Di-So 10-18
www.kunstraumdornbirn.at