"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Karlheinz Pichler · 06. Sep 2016 · Ausstellung

Geschichten, die in Flüssen und Bächen abgelagert sind - Alfred Graf in zwei Appenzeller Kunsträumen

Der aus Feldkirch stammende Künstler Alfred Graf lebt in Wien und damit an der Donau. Seine Künstlerkollegin Sabine Fässler-Luger, die vor allem als Silberstift-Zeichnerin bekannt ist, hat es von Dornbirn ins Appenzell verschlagen, wo sie den Kunstraum "Tanzsaal" betreibt. Sie hat Graf an die Gestade des Appenzeller Baches Sitter geladen. Die Geschichten, die er aus den Ablagerungen, Wasserbewegungen, Lichtbrechungen und Gesteinen in der Donau und der Sitter herausgelesen hat, zeigt er gegenwärtig in besagtem Tanzsaal sowie der Station, einem weiteren Ort der Kunst in Appenzell, der von Agathe Nisple betrieben wird.

Alfred Graf hat sich im Rahmen seines Schaffens auf die bildnerische Erforschung der Sedimente und Gesteinsformationen von Landschaften und Flussläufen fokussiert. Auf seinen Erkundungstouren sammelt er Erden, Sande und Gesteine, zermörsert diese im Atelier und fixiert das Material nach unterschiedlichen Gestaltungskonzepten auf Baumwollmolino oder formt damit kuben- oder quaderartige Objekte. Als Bindemittel dient ihm dabei üblicherweise Wachs, das er jeweils aus derselben Region wie die geologischen Materialien bezieht, zum Beispiel Honigwachs.
Für seine Ausstellung an zwei Orten im Appenzell hat der 1958 in Feldkirch geborene Künstler mehrmals die Sitter begangen. Bei jedem Besuch habe er ein anderes Farbenspiel wahrgenommen, sagt er gegenüber KULTUR. Aufgewühlte Sedimente, Lichtbrechungen, Reflexionen eines Regenhimmels, Spiegelungen der Uferbäume oder Sonnenglitzern hätten ihn in Bann gezogen.

Dialog der Flüsse

Die bildnerischen Extrakte oder Materialgeschichten, die er aus der Sitter abgeleitet hat, sind nun also im nahe der Appenzeller Kirche gelegenen, kabinettartigen "Tanzsaal in der Falkenburg" zu sehen. Im Rahmen eines „Dialogs“ stellt er diesen Sitter-“Essenzen“ solche Arbeiten gegenüber, die aus der Beschäftigung mit seinem „Heimatfluss“ Donau entstanden sind. Diese Donau-Exponate präsentiert Graf in der „Station“, der früheren Remise von Appenzell, die die ehemalige St. Galler Galeristin Agathe Nisple zu einem Ausstellungsraum umfunktioniert hat.
Hinter den in Wachs eingelassenen Ablagerungen der Bilder und Säulen verbergen sich vielerlei Anekdoten. Beispielsweise findet sich ein Stofffetzchen, das sich in der Sitter verhangen hat und von Würzelchen durchdrungen wurde, als violett schimmerndes Gewebe in einem der Sitter-Bilder wieder. Für den Schriftsteller Franzobel, der einen Text zu den Geländeextrakten Grafs verfasst hat, wirken manche dieser Werke so, als kämen sie vom Inneren der Erde. Franzobel: "Sie haben etwas Dunkles, Tiefes. Andere wieder sind wie eine Ursuppe. Auf manchen stehen Wörter oder Steine, Einschlüsse, Falten, Aufwürfe, Geäst und Landkarten. Brandspuren, Hautkrankheiten, Kriegsbemalungen archaischer Völker, surreale Landschaften Max Ernsts, Gesteinsformationen, Spuren von Flüssigkeiten, Bachbette, große Vergrößerungen von Insekten oder Pflanzen, versteinerte Tiere, erfundene Inseln, Mondgebirge, Galaxien, verblichene Bilder und noch viel mehr. In Alfred Grafs Bilder steckt die ganze Welt."

Neues überlagert Altes

Im Tanzsaal ist neben einer Sedimentsäule und mittelformatigen Wandarbeiten auch eine Serie von Kleinformaten zu sehen. Die bereits früher mit Kaffee und Myrrhe bearbeiteten kleinen Bildträger fielen Graf zufällig in die Hände, als er sich mit den gesammelten Steinchen und Sedimenten der Sitter auseinandersetzte. Das Neue überlagert solcherart das Alte und birgt nun seinerseits eingebettete Schichtungen. Im Vorraum hängt eine maskenartige Plastik namens „Neptun an der Donau“. Diese weist den Weg zum anderen Fluss, der Donau, die in der „Station“ im Mittelpunkt steht.


Alfred Graf: „Donau und Sitter“
Tanzsaal in der Falkenburg und in der Station
Appenzell
Bis 18. September 2016