Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 31. Dez 2011 · Ausstellung

Die skulpturale Archaik von alten Industriebauten: „Bergwerke und Hütten – Industrielandschaften“ von Bernd und Hilla Becher im Fotomuseum Winterthur

Das Ehepaar Bernd und Hilla Becher hat über 40 Jahre lang industrielle Anlagen ins Bild gesetzt. Am liebsten diejenigen des Ruhrgebietes. Aber sie bereisten auch Großbritannien, die USA, Belgien und andere Länder und nahmen dortige Bergwerke und Hütten in ihre „Typologie“ auf. Im Fotomuseum Winterthur sind derzeit Schwarz-Weiß-Fotografien der Bechers zu sehen, die zeigen, wie diese Industriebauten in die sie umgebende Landschaft eingebettet waren und sind.

Die fotografischen Blicke der Bechers auf Bergwerke und Stahlhütten lassen keine Rückschlüsse auf den Dreck und den Lärm zu, die diese Anlagen einst umgaben. "Diese Landschaften", wie Bernd Becher sie nannte, waren für ihn "mehr Komposition als alles andere".

Undwiederbringliche Sammlung  von Industrieanlagen

Bernd Becher (1931-2007) hatte die Zechen sozusagen im Blut. Er wuchs im nordrhein-westfälischen Siegen auf, wo bereits sein Großvater und Urgroßvater die Brötchen im Bergbau verdienten. Becher studierte zunächst Malerei in Stuttgart, bevor er sich in Düsseldorf der Typologie widmete. Dort lernte er die aus Potsdam stammende ausgebildete Fotografin Hilla Wobeser (geb. 1934) kennen, die er dann 1961 ehelichte. Bernd Becher war von den Arbeitsstäten seiner Vorfahren wie elektrisiert. Zusammen mit Hilla bereiste er die Welt und hielt die Hochöfen und Kohlebunker, Gasbehälter, Wasser- und Fördertürme oder Fabrikshallen in Deutschland, Europa und in den USA in Schwarz-Weiß-Technik fest. Das Werk der Bechers ist eine unwiederbringliche Sammlung von Industriebauten.

Verschränkung von Arbeit und Leben

Es gibt kaum ein großes Ausstellungshaus, das in den letzten Jahrzehnten nicht irgendwann einmal die Bechers ausgestellt hätte. Fast immer standen dabei die Industriearchitekturen im Vordergrund, und kaum einmal die Landschaften, in die diese Architekturen integriert waren - obwohl das Fotografenpaar auch diese Industrielandschaften systematisch erfasst hat, wenn auch nicht im selben Aussmass wie die Architekturen. Genau diese Industrielandschaften nimmt aber nun das Fotomuseum Winterthur unter die Lupe. Ähnlich wie in den typologischen Mehrfachansichten und Reihungen von Konstruktionen zielt das Künstlerpaar auch in diesen Industrielandschaften auf ein vergleichendes Sehen, so Ausstellungsmacher Heinz Liesbrock. „Mehr als die bekannten einfachen Gebäude-Typologien können die Industrielandschaften unter zeithistorischen und sozialen Gesichtspunkten gelesen werden. Neben den monumentalen Funktionsbauten sind oft Wohnhäuser, Gärten und Kleingärten zu sehen, die beschreiben, wie verschränkt Leben und Arbeiten zu dieser Zeit organisiert waren und wie tief verwurzelt der Mensch in diesen stadtähnlichen Gebilden war,“ streicht Liesbrock hervor.

Wie Hilla Becher in einem Interview mit dem Kunstforum konstatiert (Band 201, 2010) hatte sie selber zunächst ein größeres Interesse an der Landschaft als ihr Mann. Hilla Becher: „Die Architektur ist das Hauptthema. Aber so, wie ein Biologe oder Zoologe gern wissen möchte, in welchem Zusammenhang, in welcher Vegetation und in welcher Gruppe sein Tier lebt, so interessiert uns natürlich auch, wie alles zueinander steht, in welcher Gegend das ist und wie die Häuser drumherum aussehen. Außerdem hat man ja alles miterlebt, auch das Umfeld ... Das hat mich mehr interessiert. Da waren wir etwas verschiedener Meinung. Der Bernd hat sich etwas weniger dafür interessiert. Das war aber nur graduell so, und das hat er am Ende auch aufgegeben. Er legte immer Wert darauf, dass man bei einzelnen Aufnahmen auch begreift, wie die ganze Gruppe oder das ganze Werk aussieht, wenn es geht.“

Zentralperspektivischer Bildaufbau

Bernd und Hilla Becher waren in vielerlei Hinsicht Vorreiter, die Generationen nachkommender FotografInnen prägten. Sie bedienten sich einer nüchternen Sachfotografie, um die archaische Ästhetik industrieller Bauten monumental ins Bild zu setzen. Industriearchitekturen erhoben sie zur Kunst, indem sie sie wie anonyme Skulpturen inszenierten. Um Nebensächliches auszublenden, konzentrierten sie sich auf einen zentralperspektivischen Bildaufbau. Um jeglicher Dramatik vorzubeugen, fotografierten sie bei diffusen Lichtverhältnissen. Sonnenlicht bedingte Licht- und Schatten-Spiele sollten tunlichst vermieden werden.

Schule des Sehens

Seit den 1970er Jahren gaben die Bechers ihr Wissen auch an Kunststudenten weiter. An der Kunstakademie Düsseldorf lehrten sie die rationale „Schule des Sehens“, die noch heute im Zentrum der deutschen Gegenwartsfotografie steht. Einige ihrer Schüler wie etwa Andreas Gurski, Thomas Struth, Thomas Ruff, Candida Höfer oder Axel Hütte sind mittlerweile international bekannter als die Fotopioniere selbst.

Bernd und Hilla Becher                                                                                   Bergwerke und Hütten – Industrielandschaften
Fotomuseum Winterthur, Halle
Bis 12. Februar 2012
Di-So 11-18, Mi 11-20
www.fotomuseum.ch