Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 28. Jul 2015 · Ausstellung

Die Natur holt sich ihren Teil zurück - Uta Belina Waeger bestreitet die diesjährige Sommerausstellung in der Villa Falkenhorst

Die Dornbirner Künstlerin Uta Belina Waeger bestreitet die diesjährige Sommerausstellung in der Villa Falkenhorst in Thüringen. Während in den Ausstellungsgewölben im Kellergeschoss des Gebäudes ein Querschnitt neuerer und älterer Objekte, Wandarbeiten und Installationen zu sehen sind, prägt ein rotes Netzband, mit dem die Künstlerin gleichsam die Villa und den Park vermisst, den Außenraum. Was von Anfang an einkalkuliert wurde, wird bereits jetzt sichtbar: die Natur, über die das lineare Band gelegt wurde, holt sich ihren Teil zurück.

Betritt man die Villen- und Parkanlage Falkenhorst, so sticht das rote Band, das sich über die Fassade des von John Douglass in den Jahren 1837/1838 im Stil eines englischen Landhauses errichteten Baues zieht, unmittelbar ins Auge. Auf den ersten Blick weckt es Assoziationen zu einem Geschenkband oder auch zu Projekten des Verpackungskünstlers Christo. Aber diese Eindrücke verblassen genauso schnell wieder, wie sie erwachsen sind, denn Waegers Eingriff ist eine lineare Markierung, eine Art Vermessung, eine Sichtbarmachung. Als Material wählte die Künstlerin für diese Zäsur ein Netzband, wie man es auch bei Außenfassaden zum Schutz vor Bauschutt einsetzt. Es ist so beschaffen, dass es einerseits Wind und Wetter standhält, andererseits aber auch eine gewisse Transparenz und Durchsicht gewährt. Die Farbe hat dabei Signalcharakter und steht in einem gewissen Kontrast zum strahlenden Weiß der Fassade. Ausgehend vom Haus, zieht sich das Band dann quer über den Rasen des Parkes. Hier ist allerdings der ursprüngliche Kontrast zwischen dem Grün der Wiese und dem Rot des Bandes verblasst. Durch den Einfluss von Pflanzen und Wetter ist das Rot zu einem matten Grau verkommen. Teils hat das Gras seinen Weg durch die Gitterstruktur des Netzes gefunden und das Band überwuchert. Die Markierung wird von der Natur sozusagen aufgefressen. Die Natur holt sich ihren Teil zurück.

Architektur und Landschaft „dingfest“ machen


Dennoch: Das Band, das bewusst nicht axial, sondern seitlich der Mittelachse über die Villa gelegt wurde und dadurch deren Symmetrie gebrochen hat, zieht das Gebäude und den Rasen in gewissem Sinne nach, scannt diese ab und macht sie gleichsam in der Landschaft „dingfest“. Und im Park ist eine Überlagerung mit einem weißen Netz angesagt. Ein weißes Rechteck aus Vlies, wie man es von der Großbeetabdeckung im Gartenbau kennt, liegt „schräg“ im Gelände und „unterquert“ das Band. Aus der Distanz erinnert dieses Rechteck, das sich zur Mitte hin, wo das schmale Band gekreuzt wird, stark aufwölbt, visuell an einen Manta-Rochen. Die auch hier wuchernden Pflanzen plustern das Vlies wie eine Daunenbettdecke auf. Man darf es auch betreten. Es entsteht ein Feeling, als ob man über eine weich bemooste Wiese im schottischen Hochland marschierte.

Letztlich setzt die Künstlerin mit ihrem Eingriff auch die Notiz einer verrätselten Lesbarkeit von Architektur und Landschaft, von Welt und Umwelt.

Weiche Schale, harter Kern


Für ihre Innenraumarbeiten stützt sich Uta Belina Waeger immer wieder auf Materialien wie Eisen und Stahl, Holz, Tee und Kaffe, Papier und Leim. Diese Werk- und Arbeitsstoffe bilden seit vielen Jahren eine direkte Verbindungslinie zwischen den einzelnen Werkkomplexen und Arbeitsabschnitten. Formaler Ausgangspunkt sind dabei häufig Fundstücke. Waeger erschaut und findet, sammelt und häuft an, ordnet und reiht aneinander: Nämlich Gegenstände, die dereinst klar zugewiesene Funktionen gehabt haben und dann sozusagen weggelegt, außer Betrieb gesetzt wurden. Vor allem Gegenstände mit aggressivem Grundcharakter. Gegenstände, die zum Stechen, Schneiden, Sägen, Bohren und was sonst noch verwendet worden sind.

Durch die Ummantelung mit verleimtem Kaffeesud und Teebeuteln tun sich Widersprüche, im Kern unlogische Reziprozitäten auf: So wird Material, das eigentlich von dauerhafter Haltbarkeit ist, eben Eisen und Stahl, durch Substanzen konserviert, die von organischer und damit vergänglicher Konsistenz sind. Aggressive, spitze, kantige Gegenstände werden genau durch solche Stoffe entschärft, die im Kern gefährdet wären. Das Aggressive wird durch die Umhüllung zwar unterlaufen, aber die Transparenz der Hülle lässt wiederum den Blick auf die ursprüngliche Bedrohung aufrecht. Das Bedrohliche als solches bleibt somit unterschwellig latent akut. Umgedreht wird folglich auch das volkstümliche Sprichwort „Harte Schale, weicher Kern“. Bei Waeger ist die Schale weich, der Kern hart, der Panzer ist innen, die Weichteile sind außen.

Außerdem verschiebt sie Unästhetisches, Abstoßendes, Vorgefundenes, Rostendes und Riechendes in neue kontextuelle Beziehungsgefüge. Sie ortet und verortet. Sie ästhetisiert Hässliches, Ekliges, bewahrt und konserviert es. Sie löst Ursprüngliches aus einem vorgegebenen System heraus, um es in neue Systeme überzuführen.

Bei der Zusammenstellung von Zyklen und Gruppen geht Waeger stets vom Ort der Präsentation aus. Für jeden Raum der Intervention erstellt sie ein eigens entwickeltes, exakt abgestimmtes Konzept. Gerade anhand ihrer Boden-Skulpturen, Verhäutungsformationen und des dreizehnteiligen Zyklus’ von großformatigen Tafeln im Untergeschoss der Villa Falkenhorst wird dies offenkundig.

 

Uta Belina Waeger: Das rote Band
Villa Falkenhorst, Thüringen
Bis 16. August
So 15-17 u. bei Veranstaltungen u. n. tel. Vereinb.
www.villa-falkenhorst.at