Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 31. Okt 2013 · Ausstellung

Der gekrümmte Körper - bildhauerische und zeichnerische „Haltungsforschung“ von Christian Ruschitzka in der Harder Galerie.Z

Der aus der Steiermark stammende Bildhauer Christian Ruschitzka ist bekannt für seine ironisch-schrägen Umkreisungen des Skulpturenbegriffs. Er zerlegt Betten, Fahrräder oder Motormäher in handliche Gepäcksstücke, lässt durch wundersam hin-und-her-fahrende Büsche oder sich in Wellenform bauschende Sandkistenoberflächen in Kinderspielplätzen „bewegende Landschaften“ erstehen. Seinem Einfallsreichtum, Alltagsgegenstände und Einrichtungen auf humorvollste Art skulptural zu unterlaufen, sind keine Grenzen gesetzt. In der Galerie.Z in Hard präsentiert er derzeit mit seinen Krümmlingen Objekte, die seiner ganz speziellen Vorstellung von „sozialer Plastik“ entsprungen sind. Dazu sind mit dem Zyklus „Die Jäterin“ Aktzeichungen zu sehen, die ebenfalls den Rahmen dessen sprengen, was man normalerweise unter „Aktzeichnung“ versteht.

Vor rund zehn Jahren sorgte der 1962 in Mürzzuschlag geborene und heute an der Universität für Angewandte Kunst in Wien unterrichtende Künstler Christian Ruschitzka im Bregenzerwald für Aufsehen, als er beim Bizauer Kirchplatz innert zwei Stunden rund 500 Schneemänner aufstellte. Er entwickelte dafür eigens eine „Schneemannzange“ mit einer Schneemannform, die es ihm ermöglichte, in Sekundenschnelle einen Schneemann auszustechen und auf dem Boden zu platzieren. Ein typisches Beispiel dafür, wie überraschende Effekte und künstlerische Irritation das formale Repertoire des Künstlers ergänzen.

Krümmlinge

Ironisch und irritierend wirken auch seine „Krümmlinge“, die er jetzt in der Harder Galerie.Z zeigt. Diese prothesenartigen Skulpturen sind ein Ergebnis seiner Untersuchungen zur „Verbeugung als soziale Geste“, wie sie etwa in Japan eine zentrale Rolle spielt. Ruschitzka hat sich mehrmals über längere Zeit im Land des Lächelns aufgehalten und ist erst aufgrund der Katastrophe von Fukushima frühzeitig wieder nach Österreich zurückgekehrt. Der „Krümmling“ erlaubt dem Künstler zufolge eine fast mathematisch präzise Festlegung des Verbeugungswinkels und verweist damit ironisch auf den japanischen Etikette-Guru Norio Yamanaka. Ruschitzka: „Der hat die Verbeugung nämlich genauestens kategorisiert: Zur bloßen Anerkennung wird da die Rumpfbeuge um 15 Grad verschoben, 45 Grad sind angemessen zum korrekten Gruß, und 75 Grad als Respektbezeigung. Der 90-Grad-Winkel ist als Ehrerbietung dem Kaiser gegenüber reserviert.“

Auch bei uns, etwa noch während der K&K-Zeit, war diese Verbeugungskultur gang und gäbe, wenngleich weniger aus Höflichkeit, sondern einfach um gegenüber der Obrikeit die geforderte Reverenz zu erbringen. Um sich bei solchen „Bücklingen“ leichter zu tun, hat Ruschitzka also diese „Krümmlinge“, die es auch für Kinder respektive Kleinwüchsige gibt, entwickelt. Es ist eine Art Brustgeschirr, das man sich anschnallen kann. Daran befestigt ist ein Stützbein, mit dem sich der genaue Verneigungswinkel einstellen lässt und das den sich Krümmenden zudem entlastet, wenn er sich nach vorne beugt. Was natürlich vor allem Rückengeschädigten sehr entgegen kommt. Ruschitzka hat diese kuriosen Gerätschaften in den Räumen der Galerie.Z installativ an der Wand befestigt.

Die Jäterin

Ebenfalls eine Art „Schräglage“ thematisiert der in Wien und im Burgenland  lebende und arbeitende Kunstschaffende mit seinem zweiten Werkkomplex, der in Hard zu sehen ist. Es sind Aktzeichnungen, in denen sich Ruschitzka mit Frauen auseinandersetzt, die in der Landwirtschaft arbeiten. Etwa mit steirischen Bäuerinnen oder den „Jäterinnen“, die beim oberitalienischen Reisanbau das Unkraut beseitigen mussten. Obwohl Gerichte wie etwa Risotto auch bei uns sehr beliebt sind, ist wenig bekannt, dass in der piemontesischen Tiefebene der Reisanbau noch heute eine nicht unwesentliche Bedeutung hat. Bis in die 1960er Jahre hatten die Jäterinnen durch ihre Tätigeit eine wichtige Stellung und wurden besser belohnt als etwa in der Industrie Arbeitende. Der Übergang von der arbeitsintensiven Umpflanzmethode zur maschinellen Direktsaat, das Wegfallen des mit enormer Handarbeit verbundenen Unkrautjätens (monda) durch den massiven Einsatz von Herbiziden und die Verwendung moderner Saat-, Ernte- und Spezialmaschinen haben die Jäterinnen in den 1960er Jahren sukzessive verdrängt.

Ruschitzka hat die Bewegungsabläufe des Bückens solcher Jäterinnen auf wenige Linien reduziert und ein elementares Vokabular von Körperspannungen entworfen, die diese Art von Tätigkeit bestimmen. Wobei der Künstler bei den verschiedenen Bewegungen, von der leichten Beuge bis zum tiefen Bücken, immer nur Details fokussiert, wie etwa Oberschenkel und Hüfte.

Es ist das erste Mal, dass sich der Künstler mit dem Akt beschäftigt. Was das Zeichnerische anbelangt, waren von ihm bislang nur immer Entwurfsskizzen für Skulpturen, Installationen und Performances zu sehen. Arbeiten, die allerdings sehr dicht sind, wie ebenfalls einige Beispiele in Hard veranschaulichen.

Die Zeichnungen zur „Jäterin“ sind sämtlich mit breitem Bleistift gesetzt. Einzig eine Arbeit aus dieser Serie ist farbig gehalten. Mit dem Grün und Gelb dieses Blattes referenziert Ruschika die Farben des US-Landmaschinenherstellers John Deers, um eben damit anzudeuten, dass dieses manuelle Arbeiten der Jäterin und der Bäuerin mittlerweile längst durch die Maschine ersetzt wurde.

Christian Ruschitzka: Die Jäterin
Galerie.Z, Hard
Bis 16.11.2013
Di, Do 18-20 
Sa 10-12  
und nach Vereinbarung
www.galeriepunktZ.at