Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Karlheinz Pichler · 11. Okt 2015 · Ausstellung

Das Poetische in der Strenge der Geometrie - „Geometrie.Poesie 1“ im Otten Kunstraum

Der Sammler und Industrielle mit eigenem, für die Öffentlichkeit zugänglichen Kunstmuseum, Wilhelm Otten, ist auf Kunst fokussiert, die sich vor allem mit geometrischen Formen auseinandersetzt. Ausgehend vom russischen Konstruktivismus bis hin zur unmittelbaren Gegenwart sind in seiner Sammlung mittlerweile mehr als 600 markante Werke vereint. Dass Geometrie nicht nur ordnend und streng, sondern auch verspielt und poetisch sein kann, dem versucht die derzeit laufende, von Ingrid Adamer kuratierte Ausstellung im Otten Kunstraum nachzuspüren.

Ein Beispiel für die lyrische Leichtigkeit von Kalkül und Regelmaß sind etwa die Arbeiten des 1952 geborenen italienischen Künstlers Alfonso Fratteggiani Bianchi. Dieser trägt die von ihm verwendeten Farbpigmente direkt und ohne Zuhilfenahme von Bindemitteln und anderen Tricks auf die Bildträger auf. Er reibt das Pigment, auf seine Erfahrungen bauend, mit den Händen ein, bis es aus seiner Sicht seine Richtigkeit hat. Bianchi ist übrigens Autodidakt. Er näherte sich der Malerei weitgehend „unverbildet“ und mit einem natürlichen Mut zu radikalen Lösungen. Und zwar nicht nur was die spezielle Materialität seiner Bildtafeln angeht, sondern auch im Hinblick auf die weiteren Ansprüche seiner monochromen Bilder auf das Absolute. Von Bianchi ist in der Ausstellung „Geometrie.Poesie 1“ im Hohenemser Otten Kunstraum ein Triptychon zu sehen, das eigentlich einen Farbdreiklang, von einem Azurblau ausgehend, darstellt. In den von einer natürlichen Radikalität geprägten Arbeiten des Italieners scheint die Unschuld der Farbe regelrecht zu vibrieren. Das reine Material wirkt verführerisch und scheint von einer lyrischen Poesie getragen. Bianchi ist ein typisches Beispiel dafür, dass Geometrie und Abstraktion weit mehr sein können als Ordnung und Strenge und dass auch hundert Jahre nach dem „Schwarzen Quadrat“ von Kasimir Malewitsch die Malerei noch immer eine frische Faszination bewirken kann und noch längst nicht am Endpunkt angelangt ist.

Das lyrisch Schwebende in der Geometrie


Insgesamt wird anhand der Werke von 14 Kunstschaffenden das dichterisch Schwebende der Geometrie aufgerollt. Von dem 1948 in Madrid geborenen Miguel Ángel Campano etwa sind von großen Gesten und feinem Farbgespür getragene Gemälde zu sehen, die überaus rätselhaft anmuten. Die niederländische Künstlerin Marie-Antoinette Courtens wiederum ist mit Aquatinta-Radierungen und auch Malerei in der Ausstellung präsent. Wilhelm Otten hat die Arbeiten Courtens während einer Reise nach Ibiza kennengelernt, wo sie regelmäßig die Sommermonate malend verbringt. Die Wintermonate hingegen sind der Produktion von großformatigen Radierungen vorbehalten, die sie in ihrem Atelier in Tilburg entwickelt.

Der 1950 in Bordeaux geborene und seit Langem auf Bali lebende und arbeitende Jerome Abel Seguin bezieht seine Inspirationen zwar ausnahmslos aus der zeitgenössischen europäischen Kunst, wohingegen die von ihm eingesetzten Materialien aus Asien stammen. Seguin verwendet für seine Arbeiten unter anderem eine feine Holzhaut, die sich unter der Rinde des Maulbeerbaumes befindet. Dieser Rinderbast dient vor allem in Ozeanien seit Jahrhunderten der Gewinnung von Stoff. Aus diesem Material ist letztlich auch der präsentierte Wandteppich „Ohne Titel“ aus dem Jahre 1998.

Dass auch Platz für Ironie und Humor sein kann, zeigt sich beispielsweise an der spitzwinkligen Holzlattenkonstruktion „Querulant“ aus dem Jahre 2007 des Bregenzerwälder Objektkünstlers Armin Ruprechter. Er ist aber nicht der einzige Vorarlberger in dieser Gruppenausstellung. Mit dabei ist auch der 1965 in Dornbirn geborene und jetzt in Mattsee lebende Künstler Harald Metzler. Metzler setzt werkstrategisch vor allem auf Papier, das ihn als filigranes, leichtes und aber auch stabiles Material interessiert. Er strukturiert einfache Formen und lotet das Spiel von Natur, Geometrie, Mathematik und Harmonie auf ganz eigenständige Weise aus, wie in der Ausstellung anhand der Arbeit „F.M.F.“ nachzuvollziehen ist.

Und dass neben vielen weiteren Positionen auch der Schweizer Grand Doyen der konstruktiven und konkreten Kunst, Gottfried Honegger, in so einer Schau nicht fehlen darf, untermauert er mit seiner Fähigkeit, statische Kunst ins Fließen zu bringen und seinem Postulat, dass alles Komplexe sehr einfach ist und die Sprache der Kunst deshalb sehr einfach sein muss.

 

Geometrie.Poesie.1
Werke aus der Sammlung Otten
Eduard Arbós, Alfonso Fratteggiani Bianchi, Miguel Angel Campano,
Marie-Antoinette Courtens, Adolfo Estrada, Gottfried Honegger,
Wladimir Lebedew, Lluís LLeó, Harald Metzler, Louise Nevelson,
Armin Rupprechter, Jerome Abel Seguin, Daniel de Spirt,
Léon Arthur Tutundjian
Otten Kunstraum
Bis 5. November 2015
Geöffnet nach tel. Vereinbarung
www.ottenkunstraum.at