Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 27. Feb 2017 · Ausstellung

Geworfen, geknetet und gezeichnet - Werke voller Phantasie und Frische von Christian Hörler in der Kunsthalle Ziegelhütte

Der in Wald im Schweizer Kanton Appenzell lebende Christian Hörler, Jahrgang 1982, zählt zweifelsohne zu den interessantesten jüngeren Kunstschaffenden der Ostschweiz. Gegenwärtig ist er in einer gut durchkomponierten, erfrischenden Ausstellung, die sich über drei Stockwerke hinwegzieht, in der Kunsthalle Ziegelhütte in Appenzell zu sehen.

Ursprünglich wollte Hörler seine Werkschau in der Ziegelhütte mit „Klare Gedanken“ übertiteln. Dann hat er sich aber doch für den für eine Kunstausstellung eigenwilligen Begriff „Schnee schaufeln“ entschieden. Nicht nur, weil in Appenzell der Schnee über den ganzen Winter und oft bis ins Frühjahr liegen bleibt, sondern weil das „Schnee schaufeln“ eine Tätigkeit bezeichnet, in der das Prozesshafte betont wird. Das „Schnee schaufeln“ sei ein sehr gutes Sinnbild für die Art, wie er vorgehe und arbeite, betont Hörler. Aber natürlich fabriziert der Appenzeller Künstler seine Werke nicht mit vergänglichem Schnee, sondern bevorzugterweise mit Lehm, Kalk und Beton. Und er zeichnet und malt immer wieder auf Papier. „Schnee schaufeln“ ist vorallem eine poetische Anspielung, denn es ist eine plastische Tätigkeit und außerdem ist Schnee weiß, wie viele Werke Hörlers.

Bezug zum Raum

Und wenn Hörler ausstellt, dann nimmt er stets auch Bezug zum Raum. Raum und Werk treten in einen direkten Dialog ein. Die Organisatoren der Schau sprechen denn auch von einem „vielteiligen raumbezogenen, retrospektiven und aktuellen, plastischen, malerischen und zeichnerischen Werk-Weg“ den der Künstler hier realisiert habe.

 

Beim gelernten Steinbildhauer überlagern sich tradiertes Handwerk und gegenwärtige Kunst-Techniken. Die Inspirationen holt er sich aus dem Alltag, aus dem eigenen, aber auch aus dem Alltag anderer Menschen. Und auch das Material selbst und das Handwerk leitet ihn bei seinen artifiziellen Lösungsfindungen. Die Ausstellung „Schnee schaufeln“ vereint erlesene Arbeiten der letzten sechs Jahre des Ostschweizer Künstlers. Sie sind gespickt mit persönlichen biografischen Anknüpfungspunkten, und der prozesshafte Charakter der Werkbezüge zieht sich durch die ganze Ausstellung hindurch.

 

Gleichsam als „Entrée“ begegnet man zunächst einem „Apfelhaufen“, dessen „Früchte“ aus grauem Beton bestehen. Dahinter folgt der große Saal, in dem sich zwei hohe, schmale, Obelisken aus Holz sowie eine biomorphe Plastik aus handgeformten Lehmkugeln sowie eine Kalkzeichnung am Boden zur Installation „genau dort ungefähr hier“ formieren. Ergänzend dazu eine monumentale, mit Linoldruckfarbe erzeugte Kartoffelstempel-Wandbemalung, die wie eine Art Vorhang wirkt und im Kontrast zur weißen Wand steht.

 

Aus dem Handeln heraus

 

Im ersten Stock der Ziegelhütte wird die Kunst als Anhäufung von Handlungsabläufen noch evidenter. Wie der Maurer den Verputz, klatscht Hörler den weißen Gips an die Wand. Das Zentrum des Wurfes stülpt sich in den Raum, daneben die ebenfalls festgeronnenen Wegspritzer. Man fühlt in diesen „Wandskulpturen“ die Ausholbewegungen förmlich nach. Es sind zur festen Substanz gehärtete Bewegungen. Manchen Gipsklumpen drückt er noch zusätzlich spiegel- und klotzartige Formen ein. Da entstehen dann plötzlich völlig andere Assoziationen. Das Werk wird dann gleichzeitig auch Träger, Sockel.

 

Im zweiten Obergeschoss dann in einem kabinettartigen langgezogenen Raum die Zeichnungen und Arbeiten auf Papier des Appenzellers. Hier wird nochmals offenkundig, wie sehr Hörler auf die Umwelt achtet, wie genau er beobachtet. Oft sind es ganz simple Vorgänge und Dinge, die er mit wenigen Strichen und Linien aufs Blatt bannt. Etwa die vereinfachte Darstellung eines Gerüsts, einfache Schattenwürfe, die ellipsoiden Linien, die entstehen, wenn ein Traktor das Feld umackert. Oft bildet billiges Packpapier den Bildträger, die Blätter sind lose an die Wand geheftet. Manche Arbeiten wirken skizzenhaft, bei anderen denkt man an vorgefasste Gesten. Oft ist nur eine Linie angedeutet, dann wieder folgt der Wechsel zur formatfüllenden Fläche.

Hörler kommt mit einfachsten Materialien und reduzierten Mitteln aus. Das gilt sowohl für das skulpturale Schaffen wie auch für die Zeichnungen. Alles wirkt elementar, authentisch und unverbraucht.

 

Christian Hörler: „Schnee schaufeln“
Kunsthalle Ziegelhütte
Bis 19.3.
Di-Sa 14-17, So 11-17
www.kunsthalleziegelhuette.ch