Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Niedermair · 22. Feb 2018 · Ausstellung

Brigitte Hasler SYLLABA Holzschnitte . Radierungen . Pigmentdrucke in der Galerie Hollabolla in Eschen

Brigitte Hasler, geboren 1944, lebt und arbeitet in Gamprin/Liechtenstein. Sie ist vor allem als Kunstschaffende bekannt, die sich mit Malerei, Druckgrafik und Video beschäftigt. Zentral in ihrem Schaffen ist der Gegenstand und dessen zunehmende Auflösung, nicht das Starre, sondern der Übergang, das Fließende. Dies wird deutlich sichtbar in ihren Künstlerbüchern, die die Grenzen des Buches überschreiten und zum Kunstobjekt werden. Ihr jüngstes Künstlerbuch ist das Werk „Syllaba“ von 2015. Die Silbengedichte in Syllaba zeigen, wie in der deutschen Sprache die Vorsilben den Sinn, die Richtung eines Wortes verändern. Neben ihrem bildnerischen Schaffen hat sich Brigitte Hasler immer schon mit der Sprache beschäftigt. Ihre ersten Gedichte veröffentlichte sie 1971 unter dem Titel „Lebenssinn im schöpferischen Spiel“. Weitere Gedichte erschienen in den Achtziger- und Neunzigerjahren. 2003 folgte der Band „Scheitelstunde“, der sich mit dem Wandel, dem niemals Konstanten beschäftigt. In der Eschener Galerie Hollabolla zeigt Brigitte Hasler unter dem Titel SYLLABA Holzschnitte, Radierungen und Pigmentdrucke.

Syllaba – Das Konzept

Brigitte Hasler begreift die Silbe als offenes ästhetisches System, das Sprache als „authentischen Akt“ versteht. Von den Strömungen der konkreten Poesie beeinflusst, wird in der künstlerisch-konzeptuell geprägten Arbeit das Feld der Sprach-Architektur, die Architektur der Silben im unmittelbaren Kontext zu bildender Kunst und Musik. Als eigenes Genre in der Kunst hat das Künstlerbuch vor allem durch seine Verflechtung von bildnerischem Gestalten und sprachlichem Ausdruck das Interesse der Künstlerin geweckt. Auch ihre Ausdrucksmittel sind Wort und Bild. Das Künstlerbuch versteht Brigitte Hasler als Gegenpol zur plakativen und sprachlichen Reizüberflutung der täglichen Umwelt. Im Künstlerbuch tritt das Buch aus dem Status der unendlich reproduzierenden Massenware wieder in den Charakter des Unikats, des einzigartigen Objekts.

Syllaba ist das ursprüngliche Wort für Silbe. Die hier vorliegenden Texte in konkreter Poesie beziehen sich hauptsächlich auf die Vorsilben in der deutschen Sprache. Diese verändern wie in keiner bekannten Sprache den Sinn und die Richtung eines Wortes (ver-sprechen / ver-sagen). Absicht des künstlerischen Vorhabens ist es, Veränderbarkeit aufzuzeigen und Erstaunen für Sprache zu wecken. Die graphische Gestaltung gleicht der eines Codes. In abgewandelter Form, nie fertig, nie endgültig, nie erklärend ziehen sich die Zeichen durch alle Bände. Das in der Ausstellung bei Elmar Gangl in der Eschener Galerie Hollabolla gezeigte Künstlerbuch ist in druckgraphischen Prozessen als Radierung / Prägedruck entwickelt worden. Im Druckwerk des BBK Berlin wurden die Radierungen eingescannt und weiter im Layout verarbeitet. Ebendort erfolgte die Ausführung in Pigmentdrucken auf Hahnemühle PhotoRag. Buchbindung: Offene Fadenbindung; Buchbindermeisterin Julia Büttelmann, Berlin. Der Einband ist mit säurefreiem Museumskarton gestaltet. Das Projekt Brigitte Haslers besteht aus 13 Kassetten mit je 13 Bänden (12 x 38 cm) und Textbeiträgen von Heilgard Bertel, Willy Rogalla, Wolfgang Heyder, Peter Niedermair.

Die Ausstellung in der Eschener Galerie Hollabolla

Die Ausstellung umfasst fünf Holzschnitte, ohne Titel, zum Teil colographiert, die an der Nordseite der Galerie hängen, weiters fünf Pigmentdrucke aus der Werkreihe „Syllaba“, neun Radierungen mit dem Titel „Schläfenzange“ – nach einem Zitat Paul Celans „Schläfenzange / Von deinem Jochbein beäugt …“. Diese Serie ist eine Radierfolge und gleichzeitig Fortsetzung der Arbeit „Staub“ und „Familienerbteile“. Schädelknochen werden mit roten Klammern in unterschiedlichen Distanzen festgehalten bzw. aufgelöst. Als freistehendes Objekt auf einem Holzwagen steht das Buchprojekt „Syllaba“ und an der südseitigen Wand sind 32 Pigmentdrucke als eine Wand montiert.

Die Bilder in der Ausstellung wurzeln – wie die in Hohenems lebende Künstlerin Heilgard Bertel in ihrer inhaltlich wie sprachlich feingliedrigen Vernissagerede betont - in dem großen Werk der „Syllaba“, das vor nicht allzu langer Zeit von der Liechtensteinischen Landesbibliothek erworben wurde, bezeichnender Weise von einer Bibliothek, nicht von einem Museum. Als Silben-, Wort- und Buchstabenmöbel steht es mitten in der tageslichthellen Galerie. „Brigitte Hasler ist eine Doppelbegabung als Malerin und Sprachgestalterin. Sie ist eine Poetin im einen wie im andern. Ihr Bilder spannen einen Bogen vom gesprochenen Wort zum farbigen Bild, denn der einzelne Buchstabe ist schon Formbild, ein Laut, der lautlos zum Zeichen wird und in die Stille fällt etwa in der großen Schwarzfläche, die von einem laufenden Rot bekrönt wird.“ Über die Laute , die Silben, findet das Sprechen zu Wortgestalten, zu Kern- und Grundworten. „Sie ist den Vor- und Nachsilben auf der Spur, den Paradoxien, die entstehen, den Zweideutigkeiten ‚hört‘ sie nach, etwa wenn aus ‚raten‘ ‚verraten‘ wird. Wenn Freundschaftsworte, in der Bedeutung eng beisammen, plötzlich zu auseinanderdriftenden Bedeutungen kommen. So können „sprechen“ und „sagen“ zu „Versprechen“ werden, das ‚Sagen‘ aber zum ‚Versagen‘, wodurch nichts mehr erfüllt wird, was uns versprochen war. (…) Die Wahrhaftigkeit der Sprache, des Sprechens wiederzufinden ist eine Suche nach den einfachen Elementen, eine Forschungsarbeit, eine Vergewisserung. Brigitte Hasler schafft Buchstabenbilder, von Farbe unterstützt, die Raster und Zäunungen, kammartige Gebilde, rhythmisch musikalische Abfolgen ergeben. Zusammengesetzt und vergrößert erleben wir eine ganze Wand mit dem Eindruck eines Rangierbahnhofs, auf den wir gekommen sind um wieder buchstabieren zu lernen. Auf dem Verschubarbeit geleistet wird.“

Sprache, wie wir das von Ruth Wodak, der Linguistin aus Wien, vor zwei Jahren in Schwarzenberg bei den Tagen der Psychoanalytischen Gesellschaft gehört haben und in einem Interview mit ihr, vgl. Kultur Nov. 2016, nachlesen können, Sprache macht Wirklichkeit; sie ist ein weites Feld und ein spiegelglatter Grund. Um diesen Grund begehbar zu machen, ohne auszurutschen, bedarf es der Sensibilität der Künstlerinnen und Künstler mit ihren je eigenen Sprachen. Sie wissen, dass „zur Sprache kommen“ ein Auf-die-Welt-Kommen bedeutet, ein Bewusstwerden.

Die Vernissage

Bei der Eröffnung der Ausstellung platzte die Galerie aus allen Nähten, eine in Liechtenstein erscheinende Tageszeitung titelte „Hollabolla gnaglet volla“. Die lautmalerischen Spielereien mäandern bereits in die Liechtensteinische Welt, zumindest in Eschen. Elmar Gangl eröffnete in seiner Galerie „Hollabolla“ in Eschen die Ausstellung Brigitte Haslers und konnte über 150 gezählte Besucherinnen und Besucher begrüßen. Der „Rangierbahnhof der Worte“ weckte großes Interesse; die Rede von Heilgard Bertel war sprachlich eine wortdifferenzierte und das künstlerische Werk Haslers präzise wie spielerisch ernste Einführung in die Ausstellung. Seraphine Hasler, eine 10-jährige Enkelin der Künstlerin, spielte drei Stücke auf der Harfe. Die ausgestellten Arbeiten der Künstlerin, ihr bild- wie sprachkünstlerisches Beforschen der Wirklichkeit, wie etwa der neunfach geröntgte, tomographierte Kopf, sind Annäherungen, an die assoziierbaren Fragen zum „Turm zu Babel“, Die Künstlerin öffnet Türen und Fenster, die darum kreisenden Themen in individuell-persönliche und gesellschaftliche Anschauung nehmen lassen. Heilgard Bertel: „Brigitte Hasler ist eine in der Sprache, in ihrer Sprache ‚Anwesende‘. Anwesend sein heißt präsent sein, wach. Es hat mit Gegenwart zu tun, dem ‚Jetzt‘. Präsens ist Gegenwartsform. In ihr erleben wir und geben das Erlebte der Wirklichkeit zurück.“

   

Brigitte Hasler
SYLLABA - Holzschnitt - Radierung - Pigmentdruck
Ausstellungsdauer bis 25. März 2018
Öffnungszeiten Do/Fr 14 - 19 Uhr und Sa/So 11 - 17 Uhr oder nach Vereinbarung
kunst.gespräch
Sonntag, 4. März 2018, 11 Uhr: Peter Niedermair im Gespräch mit Brigitte Hasler
kunst.wort
Sonntag, 11. März 2018, 11 Uhr: Lesung mit Mathias Ospelt
kunst.genuss
Sonntag, 25. März 2018, 11 - 17 Uhr: Degustation mit dem Weingut Polz (Südsteiermark)
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St. Luzi-Strasse 7 9492 Eschen 00423 - 792 62 33 galerie@hollabolla.li galerie.hollabolla.li