Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 09. Nov 2017 · Ausstellung

Bilder als Transport- und Antriebsmittel und die Frage der Echtheit – das KUB thematisiert 2018 die Distribution der Bilder

Bei der Präsentation des KUB-Programmes für das nächste Jahr verwies Direktor Thomas Trummer darauf, dass über die sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Pinterest oder Snapchat Bilder in einer Geschwindigkeit in den Äther geschossen werden, wie nie zuvor. Daher sei die Verteilung der Bilder die große Maxime für das nächste Programmjahr, wobei vor allem die Frage nach der Echtheit im Zentrum stehe. Angesagt sind große Ausstellungen zum Schaffen von Simon Fujiwara, Mika Rottenberg, David Claerbout und Tacita Dean.

Den Auftakt für den Ausstellungsreigen 2018 macht der 1982 im Londoner Stadtteil Harrow geborene und in Japan, Europa und Afrika aufgewachsene Konzeptkünstler und „Geschichtskonstrukteur“ Simon Fujiwara. Der Künstler, dessen Mutter Britin und dessen Vater Japaner ist, bezeichnet seine Kunst als eine Mischung aus Politik, Architektur und seiner eigenen Biografie. Vergangenes Jahr etwa zeigte er in Tokyo rasierte Tierfelle, in Dublin eine an Hollywood erinnernde multimediale Biografie des irischen Freiheitskämpfers Roger Casement und in Berlin den Puder und die um den Faktor 1000 vergrößerten Hautpigmente der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Auch in Bregenz ist Fujiwara kein Unbekannter, trat er doch in diesem Jahr bereits als Gestalter und Kurator der KUB-Billboards entlang der Seestraße in Erscheinung. Seine Ausstellung im KUB von 27. Jänner bis 8. April 2018 übertitelt er mit „Hope House“. Was darunter geplant ist, bezeichnet Trummer als „geradezu wahnsinnig”. Denn Fujiwara will den Zumthor-Bau in ein 1:1 Modell des Anne Frank Museums in Amsterdam verwandeln. Vorbild dafür wird allerdings nicht das Museum selbst sein, sondern der Bastel-Bausatz aus dem Shop des Anne-Frank-Hauses. Der britische Künstler will damit demonstrieren, dass selbst ein sehr heikles Thema wie die Geschichte der Judenverfolgung in der Nazizeit von der Kommerzialisierung nicht verschont bleibt. "Ich werde eine Geschichte der Gegenwart erzählen, mit Reflexionen, wie sie seit 1945 wahrgenommen wurde und wie sie sich dadurch verändert hat”, erläutert Fujiwara.


Erfrischungstücher aus Bodybuilder-Schweiß

Die argentinische Installations- und Videokünstlerin Mika Rottenberg, deren KUB-Ausstellung von 21. April bis 1. Juli läuft, thematisiert in ihren Arbeiten globale kapitalistische Strukturen und damit zusammenhängende Marketing- und Distributionsstrategien. In ihren Videoarbeiten setzt sie sich vielfach mit Produktionsprozessen auseinander. Sie lässt Frauen aus ihrem langen Haar Milch melken ("Cheese", 2007) oder Bodybuilder-Schweiß zu Erfrischungstüchern verarbeiten ("Tropical Breeze", 2004), und sie zeigt immer wieder Frauen mit körperlichen Auffälligkeiten. Frauen, die sehr groß, korpulent, muskulös sind, die große Nasen, extrem langes Haar oder auffallend lange Fingernägel haben. Rottenberg arrangiert ihre Filme rund um aus Karton oder Fundstücken gebastelte Installationen. “Bei ihr kriegt das Ganze einen surrealen, witzigen überdrehten Touch”, betont Trummer. Ihre Bilder seien dicht gedrängt, amüsant und häufig voller sexueller Anspielungen.


Das Fließen der Zeit wird körperlich spürbar

Die Sommerausstellung im KUB (14. Juli bis 7. Oktober) ist dem belgischen Videokünstler David Claerbout vorbehalten. Videoarbeiten von suggestiver Langsamkeit sind charakteristisch für das Werk des 1969 geborenen Claerbout. Das Fließen der Zeit wird in seinen präzise komponierten Werken auf beinahe körperliche Weise spürbar. Bewegtbilder werden dadurch nahezu zu Standbildern und enthüllen so ganz langsam ihre künstliche Konstruktion. Als Material dienen ihm zumeist rekonstruierte oder computergenerierte Bilder, historische Fotografien oder eigenes Filmmaterial, das er vielschichtig miteinander verwebt. In Bregenz wird unter anderem seine 1000-jährige Simulation des Berliner Olympiastadions gezeigt. Der Künstler, der jeden Stein des von den Nazis errichteten Gebäudes gescannt hat, lässt das Gebäude altern und gibt es dem Verfall preis. Selbst die aktuelle Wetterlage in Berlin werde über eine Webcam simuliert. “Schneit es in Berlin, schneit es auch in Bregenz”, so Trummer.


Wolken und Meer


Die letzte Ausstellung 2018 bestreitet die 1965 in Canterbury geborene und heute in Berlin lebende und arbeitende britische Künsterlin Tacita Dean (20. Oktober 2018 bis 6. Jänner 2019). Dean spürt in ihrer Arbeit häufig geschichtlichen Prozessen und dem Reichtum an Geschichten nach, die eine aus der Zeit gefallene Vergangenheit im Heute evozieren kann. In Bregenz wird sich Dean, die im KUB bereits 2003/2004 in einer Gruppenausstellung zu sehen war, Wolkenformationen und dem Meer widmen. Dabei soll die Ausstellung das breite Spektrum von Film, Fotografie, Zeichnung und Buch und den spezifischen Charakter ihres Werks zum Ausdruck bringen, wie der KUB-Chef betont.


Gute Besucherbilanz


Thomas Trummer, der in sein drittes Programmjahr geht, kann über das nun zu Ende gehende Jahr eine gute Bilanz vorweisen. Zumindest was die Besucherzahl anbelangt. Mit voraussichtlich 70.000 Besuchern im 20. Jahr nach der KUB-Gründung – fast doppelt so viel wie 2016 - wird es als eines der erfolgreichsten Jahre in die Annalen des Kunsthauses Bregenz eingehen. Allein die Ausstellung “The Theater of Disappearance” des argentinischen Künstlers Adrian Vilar Rojas in den Sommermonaten zählte rund 38.000 Besucher. Finanziert wurde das Ganze über öffentliche Subventionen in Höhe von 2,56 Mio. Euro sowie den 750.000 Euro Eigeneinnahmen. Damit erreichte das KUB einen Eigenfinanzierungsgrad von 22,63 Prozent.