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Karlheinz Pichler · 10. Sep 2015 · Ausstellung

Ab in die Pause - Eine Ausstellung über das Innehalten, Schauen und Reflektieren in der Artenne Nenzing

Zum Abschluss des Programmjahres 2015 präsentiert die Artenne Nenzing eine Ausstellung zum Thema „Pause“. Kuratiert wird die Gruppenschau von der aus Nenzing stammenden Künstlerin Silke Maier-Gamauf. Mit Arbeiten von 13 Kunstschaffenden aus Österreich, Deutschland und Großbritannien, die Maier-Gamauf zur Partizipation an „Pause“ eingeladen hat, versucht sie, das vorgegebene Thema im Sinne des Innehaltens, Schauens und Reflektierens umzusetzen.

Nähert man sich dem „Pausenhof“ Artenne, so fällt als erstes ein schräg in den Rasen gelegtes Boot ins Auge. Vor Ort fabriziert hat es der 1974 in Wien geborene Künstler Andreas Putzer. Allerdings wäre es fahruntauglich, denn zwischen den einzelnen Planken klaffen beträchtliche Risse. Boote entführen eigentlich in die Ferne. Das Boot von Putzer hingegen ist seiner Mobilität enthoben, ist auf Gras gebettet, es macht Pause.

Im Inneren der Artenne sind dann sämtliche Räume gut genutzt. Im ehemaligen Stall etwa stößt man auf mehrere Arbeiten der Hamburger Künstlerin Rahel Bruns. Für das Objekt „Ein Jahr MoPo“ hat sie ein Jahr lang die Hamburger Morgenpost gekauft, gelesen und Seite für Seite verleimt. Jeden Monat ist solcherart ein Block entstanden, den sie gepresst und getrocknet hat. Zwölf Blöcke hat sie übereinander zu einem Turm gestapelt, um sich dann bildhauerisch und trichterförmig in der Mitte des Turms wieder nach unten zu arbeiten. Schaut man in diesem Loch nach unten, kann man immer wieder Gesichts- und Körperfragmente erkennen.

Auch ein typisches Werk des Dornbirner Kunstschaffenden Stoph Sauter, der sich immer wieder ironisch mit Sprache und Sprachkritik auseinandersetzt, ist im Stall zu finden, nämlich das salopp an die Wand gelehnte, für sich sprechende Schriftbild „HALB ZWEI IST EINS“.

In den verschiedenen Stockwerken der eigentlichen Artenne nehmen dann die mannigfaltigsten Schöpfungen in unterschiedlichsten Techniken Bezug zum Thema. Katharina Hinterlechner zum Beispiel wartet mit einem Ölpastell-auf-Sperrholzplatte-Gemälde auf, auf dem ein Jausen- respektive ein Pausenbrot in altbewährtem Popart-Duktus visualisiert ist. Die Künstlerin schreibt dazu: „Zwischen Lustgefühl und Ekel des Tagtäglichen. Schnell. Zwischendurch. Immer. Auf der Straße, in der Arbeit, zuhause, in der Schule, auf der Reise, auf der Parkbank, auf dem Gipfel, im Flugzeug, in der Bahn, im Bus, während des Autofahrens, im Kindergarten, im Schwimmbad, beim Ausflug, in der Tasche, im Rucksack, in der Box, im Butterpapier, von der Oma, vom Papa, von der Mama, vom Freund, von der Freundin, vom Geschäft, vom Bäcker oder selbstgemacht. Die Jause ist die schönste Zeit!“

Ohne Pause wird alles zur Pause


Die 1970 in Graz geborene Künstlerin Petra Buchegger wiederum lenkt mit ihrem Plakatdruck „Without a break everything has to break - ohne Pause wird alles zur Pause“ den Blick auf die Rehabilitation als Wiederherstellung der körperlichen Fähigkeit zum Arbeiten. Das Plakat zeigt ein Rehabilitationszentrum, in dem das Care-Prinzip fast als Paradoxon der Pause erscheint. Buchegger transportiert die Notwendigkeit des Innehaltens und das Um-Sorgen von anderen. Im Ausstellungsraum platziert sie zudem einen Ball, der es auch den Besuchern erlauben soll, zu pausieren.

Die 1969 in Nenzing geborene Silke Maier-Gamauf  ist in der Ausstellung auch selber vertreten. Und zwar mit Fotocollagen, die sie zusammen mit der Wiener Künstlerin Romana Hagyo im Zuge eines Wien-Projektes erarbeitet hat. Die beiden Künstlerinnen haben in der Donaumetropole an unterschiedlichen Orten nach Plätzen gesucht, die sich zum Liegen eignen. Ihrer Ansicht nach kann auf öffentlichen Flächen liegen dem Ausruhen oder dem Vergnügen dienen, stelle vor allem aber eine Notwendigkeit für diejenigen dar, die keinen Schlafplatz haben. „Die jüngste Entwicklung zeigt, dass Stadtmöblierungen, speziell Bänke, auf eine Weise umgestaltet werden, die das Lagern und Übernachten im öffentlichen Raum verhindern soll“, betonen die beiden. Der Titel des Projektes und der daraus resultierenden Arbeiten, „Test. Test. Liegen“, und die Technik der Collage sollen darauf verweisen, dass Hagyo und Maier-Gamauf sich in der privilegierten Situation befinden, nicht auf der Straße übernachten zu müssen. „Auf diese Weise wird auf die oben genannten Aspekte hingewiesen, nach undefinierten innerstädtischen Freiräumen gesucht und beobachtet, auf welche Weise vorhandene Räume und Flächen anders genutzt werden, als im Rahmen der räumlichen Ordnung festgelegt ist“, erläutert das Duo.

Die Pause als Möglichkeitsraum


Jenseits der Pole „Tun“ und „Nichtstun“ kann das Pausieren einen Zwischenraum, einen Möglichkeitsraum aufreißen. Auf diesen Möglichkeitsraum verweisend, setzt sich etwa der in Wien und Innsbruck lebende Künstler Bosko mit der Symbolik eines Vulkans auseinander. Pausiert der Vulkan, so entfaltet sich Leben, ist der Vulkan jedoch aktiv, so muss das Leben pausieren. Bosko hat einen Vulkan aus unterschiedlichen Materialien skulptural hergestellt und in den Raum platziert. Daneben ein Kästchen mit vier Schubladen, in denen ein fiktiver Dialog zwischen dem römischen Gott Vulcanus, der nach längerer Pause ein Comeback als zeitgenössischer Künstler anstrebt, und einem Ausstellungsmacher abgelegt ist.

Neben digitalisierten Zeichnungen von Sabine Marte und einer Art Mobile aus Schulterpolstern von Maria Hanl, ist die Ausstellung auch gespickt mit Film- und Videoarbeiten. So zeigt die Lustenauer Künstlerin Veronika Schubert mit „SÄG GAAD (Was du nicht sagst)“ ein Video, in dem zehn gestickte Lustenauer Mundartbegriffe wie etwa „botz“ oder „houtz“ zu einer rasenden Schriftanimation gebündelt wurden. Und Claudia Larcher treibt in der beschaulichen, langsamen Videoanimation „Empty Rooms“ ihr Spiel mit in Räumen gespeicherten Erinnerungen und deren Emotionen evozierenden Qualitäten voran. Die leeren Ausstellungsräumlichkeiten, die Larcher gefilmt hat, verweisen zudem auf die Verbindung von Zeit und Raum.

Im Video-Loop „Tod und Sterben/ Death and Dying“ hat der britische Künstler David Lillington den Tod als „endgültige Pause“ ins inhaltliche Zentrum gerückt.

Die eigene Identität als Sicherheit


Insgesamt nutzt die Ausstellung sowohl die Innen- als auch die Außenbereiche des Kunstraums „Artenne“, um Rauminstallationen, als auch Fotografien, Malereien, digitale Zeichnungen und auch Tonarbeiten zum Thema „Pause“ zu inszenieren. Dabei wird grundsätzlich gefragt, welche Möglichkeiten im Moment der Unterbrechung eröffnet werden, wie Maier-Gamauf betont. Sie verweist in diesem Zuammenhang auch darauf, dass in der Moderne die Beschleunigung zum allgegenwärtigen Mantra geworden sei, wobei die Prozesse der Globalisierung auf die Gleichzeitigkeit, Mobilität und Vierundzwanzig-Stunden-Verfügbarkeit fokussiert seien. Maier-Gamauf: „Während in effizienzorientierten Arbeitsprozessen die Pause jene Zeit darstellt, in der die Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, kann die Unterbrechung des beruhigenden Fortgangs auch bedrohlich werden. Sicherheit gibt, die eigene Identität über Tätigkeit und Effizienz herzustellen.

 

Pause
Mit Bosko, Petra Buchegger, Rahel Bruns, Romana Hagyo/Silke Maier-Gamauf, Maria Hanl, Sabine Marte, Katharina Hinterlechner, Claudia Larcher, David Lillington, Jörg Piringer, Andreas Putzer, Stoph Sauter, Veronika Schubert

Artenne Nenzing 
Bis 11.10.2015 
8. Oktober, 20 Uhr: Filmabend (David Lillington (GB) zeigt Filme über Tod und Sterben)
www.artenne.at