Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 29. Aug 2015 · Ausstellung

„Sinnliche Ungewissheit“ - Viel nackte Haut und Sex im Kunsthaus Zürich

Der Schweizer Filmregisseur Thomas Koerfer sammelt seit dreißig Jahren Kunstwerke, die den Menschen in seiner Nacktheit zum Thema haben. Unter dem Titel „Sinnliche Ungewissheit. Eine private Sammlung“ gibt das Kunsthaus Zürich derzeit einen repräsentativen Einblick in diese sehr spezielle Sammlung.

Das Interessante einer Privatsammlung ist ja, dass sich ganz individuelle Neigungen darin spiegeln, da hier, im Unterschied etwa zu einem Museum, kein Zwang vorgegeben ist, nach Vollständigkeit oder möglichst breiter Abdeckung zu streben. Koerfer jedenfalls hat sich ganz auf erotische und von Sinnlichkeit geprägte Kunstwerke fokussiert. Im Laufe dreier Jahrzehnte hat er einen enormen Bestand zusammengetragen. Die wertvollen Bilder, Objekte, Fotografien und Videos von Andy Warhol, Nobuyoshi Araki, Boris Mikhailov, Man Ray, Robert Mapplethorpe, Marlene Dumas oder Damian Hirst hat sich Koerfer über den Verkauf der millionenschweren Sammlung klassischer Moderne seines Vaters, dem BMW-Großaktionär, finanziert.

Von der Poesie bis zur unverblümten Pornografie


Zusammengestellt hat der Privatsammler die Schau im renommierten Kunsthaus gemeinsam mit der Hauskuratorin Cathérine Hug. Mit vorwiegend zeitgenössischen Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Videos aus Europa, Nord- und Lateinamerika, mittlerer Osten und Asien ist sie medial, inhaltlich und auch geografisch breit abgestützt. Insgesamt werden 150 Exponate und Werkgruppen von 60 Kunstschaffenden präsentiert. Darunter so poetische und erotisierende Stücke wie etwa Jiri Georg Dokoupils Rußzeichnungen „Two Dicks“ und „Three Dicks“ aus dem Jahre 2009, die schräge Installation „Idealized Smoker’s Chest # 4“ von Sarah Lucas bestehend aus Stuhl, BH, Fußbällen und Zigaretten, oder auch ungeschminkt pornografische Arbeiten wie etwa Jeff Koons Öldruck „Ilonas House Ejaculation“ (1991).

Selbstbefragung


„Sinnliche Ungewissheit“  zeigt unter anderem, dass Sexualität ein an die Zeit und Repräsentationsmoden gebundenes Phänomen darstellt. Vor allem ist es auch der eigene Blick, der die Darstellung eines Körpers oder Körperteils zur sexualisierten Darstellung macht. Ziel der Ausstellung sei es, so die Kuratoren Koerfer und Hug, den Besucher mit Fragen zum eigenen Körper und dem Körper des oder der anderen zu konfrontieren sowie eine Selbstbefragung einerseits und die Suche nach dem Künstlerischen und dem Profanen im Werk selbst auszulösen.

Nerv der Zeit


Wenn einige, vor allem malerische Arbeiten sich in den Grenzbereich zwischen Kunst und Pornographie vorwagen und mit den widersprüchlichen Begriffen herumexperimentieren, werden in anderen Schaustücken Gegenstände fotografisch oder installativ in kontemplativen Stillleben inszeniert. Und ein auf die Entfernung ruhig und abstrakt anmutendes Gemälde entpuppt sich beim Nähertreten als eine Collage aus tausenden Filmstreifen, deren Einzelbildchen eher als Wixvorlage als für eine beschauliche Betrachtung geschaffen wurden.

Die Schau im Kunsthaus trifft sicher einen Nerv der Zeit. Gezeigt wird nicht nur eine Sexualität, sondern viele Formen davon. Doch entscheidend ist, was man mit dem Körper macht. Ob man ihn behütet, zur Schau stellt, zerstört oder zur Eroberung frei gibt. Jedenfalls bleibt Sinnlichkeit immer auch ein Bereich des Unsicheren. Die meisten der in der Ausstellung vertretenen KünstlerInnen sind bereits Topshots in der globalen Kunstszene. Sie bedürften also nicht des Kunsthauses für eine weitere Behauptung. Interessent dabei ist aber, dass die Sammlung, die immer noch weiter wächst, und der jetzt gezeigte Querschnitt daraus sozusagen aus dem Blickwinkel eines Filmemachers bestimmt wird, der es ansonsten gewohnt ist, die Kamera, den Filmausschnitt, die Szenen oder auch den Zuseher nach eigenen Vorstellungen zu lenken.

 

Sinnliche Ungewissheit. Eine private Sammlung
Kunsthaus Zürich
Bis 4.10.
Di, Fr, Sa, So 10-18;
Mi, Do 10-20
www.kunsthaus.ch