Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Fritz Jurmann · 24. Nov 2016 · Aktuell

Programm der Bregenzer Festspiele 2017: vielfältig, reichhaltig und mit hohem Qualitätsanspruch

Zum Traditionstermin im November haben die Bregenzer Festspiele am Donnerstagvormittag zumindest einen Zipfel ihres Vorhangs gelüftet, hinter dem sich das zuvor streng gehütete Programmpaket des Festivals für seine 72. Saison 2017 verbirgt. Es ist, unter anderem mit der lange geforderten Rückkehr des Schauspiels in Form eines hochaktuellen Stücks, so vielfältig und reichhaltig wie lange nicht, ebenso aber auch getragen von hohem Qualitätsanspruch. Eckpunkte des Programms sind überdies Bizets Opernrenner „Carmen“ am See, Rossinis vergessenes Belcanto-Stück „Moses in Ägypten“ als Hausoper, das Opernstudio mit Mozarts „Hochzeit des Figaro“, die Uraufführung „To the Lighthouse“ im Opernatelier und ein Wagner-Schwerpunkt.

Das Zeremoniell der zugehörigen Pressekonferenz auf der Werkstattbühne war auch diesmal eingebettet in eine besondere Inszenierung, in der sich in einer angedeuteten Stierkampf-Arena vier überdimensionale Spielkarten erkennen ließen. Diese werden bei der kommenden Seeproduktion, wie zuletzt die Chinesische Mauer bei „Turandot“, vermutlich zum optischen Symbol und Anreiz für Bizets „Carmen“, der die Karten den Tod prophezeien.

Auf einer soliden Basis

Unter der gewohnt kundigen und lockeren Moderation von Pressesprecher Axel Renner ließ sich das bereits bewährte Leading Team mit Festspielpräsident Hans-Peter Metzler, Intendantin Elisabeth Sobotka und dem Kaufmännischen Direktor Michael Diem „in die Karten blicken“, wenn wir bei der Metapher für „Carmen“ bleiben wollen. Metzler verwies in einem einleitenden Statement auf die solide künstlerische und kommerzielle Basis, mit der sich die Bregenzer Festspiele das Vertrauen eines breiten Publikums erworben hätten. Für Sobotka ist das Besondere von Festspielen die Konzentration auf ausgefallene Stücke und Inszenierungen, die sie hier an drei genialen Orten verwirklichen und damit jeweils ein spezielles Publikum ansprechen möchte. Michael Diem freut sich über 18 internationale Sponsoren, die zusätzlich zu den Subventionsgebern Bund, Land und Stadt dem Festival die notwendige finanzielle Rückendeckung vermitteln.

Sobotka strebt stets besondere thematische Verbindungen innerhalb ihres Programms an. Solche ergeben sich etwa zwischen der Hausoper mit Rossinis „Moses in Ägypten“, die rückwärtsgewandt den biblischen Stoff von Plagen und der Meeresspaltung thematisiert, und dem Gastspiel des Berliner Maxim Gorki Theaters mit dem zum „Schauspiel des Jahres 2016“ gekürten Stück „The Situation“ der österreichisch-israelischen Theaterregisseurin Yael Ronen. Damit wird die nach wie vor akute und ungelöste politisch-religiöse Problematik im Nahen Osten in unsere unmittelbare Gegenwart geholt. Für Sobotka eine „geniale Verbindung“.

40 Prozent „Carmen“-Karten verkauft

Als relativ spontane Entscheidung bezeichnete die erfolgreich wirkende Intendantin die Entscheidung, 25 Jahre nach der letzten Erfolgsproduktion von 1991/92 Georges Bizets Oper „Carmen“ ab 2017 für weitere zwei Jahre in einer Neuinszenierung auf die Seebühne zu holen. Die Richtigkeit dieses Glücksgriffs beweist sich bereits jetzt mit dem vergleichsweisen Rekordwert von derzeit 40 Prozent verkaufter Karten von insgesamt  193.000 aufgelegten Tickets für 28 Vorstellungen. Entscheidend dafür war auch die Zusage des ihr bekannten dänischen Regisseurs Kasper Holten, der zusammen mit der auch im Pop- und Eventbereich tätigen britischen Bühnenbildnerin Es Devlin die Oper in Bregenz „rocken lassen“ will.

Holten ist Intendant am renommierten Royal Opera House Covent Garden in London und sorgt mit seinen Arbeiten an großen Häusern regelmäßig für Aufsehen. In dieser Runde war er eine Art „special guest“ und gab vor der Presse in erfrischender Natürlichkeit und spürbarer Begeisterung für die Sache auch seine Ideen preis, mit denen er dem in aller Welt immer wieder gespielten Opernstoff neue Deutungen und entsprechende Attraktivität für ein Massenpublikum geben möchte. Die Möglichkeiten der Seebühne mit ihren technischen Anforderungen sind für ihn faszinierend, mehr geht es ihm dabei aber darum, den Kern der Sache zu transportieren und damit die Menschen zu berühren.

„Carmen“ war die erste Oper, die er mit neun Jahren in seinem Leben gesehen hat, und es ist auch das erste Mal, dass er selber dieses Werk inszenieren wird, in einer gesunden Mischung aus Intimität und Spektakel. Hinter dem „Mythos Carmen“ sieht Kasper Holten vier Themen, die es herauszuarbeiten gilt: Ihre körperliche Anziehungskraft als Sexbombe, die Idee der Freiheit, das Problem zweier Außenseiter, die nicht zusammenpassen, und der Fluch, der über ihrem Schicksal lastet. Bei alledem sollen auch die Besonderheit des Schauplatzes, die Landschaft, das Wasser mit einbezogen werden.   

Hausoper mit Puppen angereichert

Näheres erfuhr man von Elisabeth Sobotka auch zur Inszenierung der Hausoper „Moses in Ägypten“. So wird das Werk von der Niederländerin Lotte de Beer gemeinsam mit dem Theaterkollektiv Hotel Modern inszeniert, das mit Objekten und Puppen eine eigene Welt entstehen lassen wird. Dieses Team plant auf der Werkstattbühne auch eine auf 90 Minuten reduzierte Mini-Version des original auf vier Aufführungstage angelegten Musiktheater-Epos „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Auch die Protagonisten werden dabei zu Insekten verkleinert, die zur Livemusik des Niederländischen Bläserensembles über Livekameras übertragen werden.

Eine Analogie dazu ergibt sich erneut durch das Programm des zweiten von drei Orchesterkonzerten des Hausorchesters der Wiener Symphoniker, die unter ihrem Chefdirigenten Philippe Jordan den kompletten ersten Akt von Wagners „Die Walküre“ konzertant zur Aufführung bringen werden. Eines der Orchesterkonzerte ist auch wieder dem Symphonieorchester Vorarlberg anvertraut, das in der kommenden Saison auch weitere große Aufgaben übernimmt. Elisabeth Sobotka wörtlich: „Ich bin froh, mit dem SOV ein weiteres so gutes professionelles Orchester zu haben!“ So werden die Vorarlberger Musiker wie gewohnt die Produktion des Opernstudios unter Hartmut Keil begleiten, diesmal als dritte Mozart-Oper im Da-Ponte-Zyklus „Die Hochzeit des Figaro“ mit jungen, ambitionierten Kräften des Wettbewerbs „Neue Stimmen“ in der Regie von Jörg Lichtenstein, der hier bereits „Cosi fan tutte“ inszeniert hat.

„To the Lighthouse“ wird jetzt uraufgeführt

Das SOV wirkt auch mit bei der Uraufführung des Musiktheaterwerkes „To the Lighthouse" nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf, mit dem sich im Laufe von drei Jahren beim „Opernatelier“ Komponist Zesses Seglias sowie Ernst Marianne Binder für Libretto und Inszenierung beschäftigt haben, es dirigiert Claire Levacher. Nach zahlreichen bisherigen „Einblicken“ in die Entstehung des Werkes ist der nächste Termin für kommenden Montag, 28. November geplant. Diverse Konzerte wie die Kammermusikreihe „Musik und Poesie“ sowie das Kinder- und Jugendprogramm cossculture runden das Festival ab. Die Bregenzer Festspiele 2017 umfassen insgesamt 80 Veranstaltungen und dauern vom 19. Juli bis 20. August.

Tickets unter www.bregenzerfestspiele.com